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#101

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Autor: Dianchen
Hauptcharaktere: Stelex und auch die anderen werden ab und zu mal erwähnt
Inhalt: Es geht um das Geständnis von Sandra über Harrys Tod aus der Epi 162 - The Eleventh Hour/Henkersmahlzeit welches ein folgenschweres Ereignis mit sich zieht.
Raiting: K+ kann sich aber hin und wieder noch ändern, was ich vorher allerdings bekannt geben werde.
Spoiler: Nein
Chapter: 7
Geschrieben: 2008
Disclaimer: Alle MLT Charaktere sind Eigentum von Nine Network, The South Australien Film Corporation and Millenium Televison. Diese Fanfic wurde lediglich zum Spaß geschrieben und nicht um damit Geld zu verdienen. Jegliche Ähnlichkeiten zu Lebenden und Toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors.
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created by Schnuckilein

Chapter 1
Die Mädels hatten nur eine Vermutung wo Sandra hingegangen sein könnte, nachdem sie plötzlich auf Drovers Run aufgetaucht war. Sandra war wie aus dem Nichts auf der Veranda erschienen und hatte Stevie einen Brief entgegengestreckt. Die Witwe von Harry Ryan, hatte diesen umgebracht und das Geständnis in dem besagten Brief aufgeschrieben. Stevie konnte es kaum glauben und als sie nach einem kurzen Moment wieder auf den Platz schaute, auf dem Sandra noch vor ein paar Minuten gestanden hatte, war diese verschwunden. Stevie hatte nach ihren Freundinnen gerufen, hatte ihnen, mit der Bitte, Alex anzurufen, den Brief in die Hand gedrückt und war zu den Ställen geeilt.

Es waren unausgesprochene Sachen, die Sandra nicht länger quälen sollten, sie wollte endlich mit diesem Part, ja vielleicht sogar mit ihrem Leben abschließen. Denn sie hatte dem Mann, den sie über alles geliebt hatte, das Leben genommen. Es war nur ein Versehen gewesen, aber was brachte ihr dieses Wissen schon, es nahm weder ihren Schmerz noch brachte es ihr Harry zurück. Sandra selbst schien das alles innerlich aufzufressen, sie war nicht mehr sie selbst seit ihr Ehemann tot war. Nicht nur Harry war gestorben, mit ihm gingen auch ihre Seele und jegliches Zeitgefühl verloren. Noch nie zuvor war ihr so bewusst gewesen, wie sehr sie einen Menschen brauchen würde. Doch nun, da die Liebe ihres Lebens ihr entrissen wurde, spürte sie es ganz besonders deutlich. Denn tief im Innern ihres Herzens und ihrer Seele war sie doch nur eine ganz normale Frau, die liebte und auch einen Platz suchte, der ihr Wärme und Geborgenheit spenden sollte.

Stevie ritt so schnell sie konnte. Der immer stärker werdende Wind, peitschte ihr ins Gesicht. Aber sie achtete weder auf den aufkommenden Regen noch auf die Schmerzen, die, die kräftigen Luftstöße in ihrer Lunge verursachten. Erbarmungslos trieb sie ihr Pferd zur Eile an. Ritt in die Richtung, in der sie Sandra vermutete. In die Richtung von Harrys Grab.

„Harry…Harry…nimm mich mit.“

Sandra stand am Grab ihres verstorbenen Ehemanns und flehte diesen an. Völlig hysterisch und wie in Trance näherte sie sich dem Abgrund.
Gerade noch rechtzeitig, um Schlimmeres zu verhindern, kam Stevie an dem Grab an.

„Sandra…“, schrie sie gegen den Wind, der mittlerweile schon fast einem Orkan ähnelte.

„…Stopp! Geh vom Abgrund weg!“

Sie streckte ihre Hand aus, um diejenige von Sandra zu ergreifen.

„Komm mir nicht zu nahe. Du hast ja keine Ahnung, wie sehr er mir fehlt!“, schrie Sandra und machte einen weiteren Schritt auf den Abgrund zu.

„Natürlich nicht. Komm erzähle es mir, sag es mir.“

Stevie trat ebenfalls einen Schritt nach vorne, vorsichtig bewegte sie sich auf Sandra zu.
Die Situation war nicht gerade einfach, sie erforderte genauste, psychologische Vorgehensweise und Stevie wusste selber, dass ihre Kenntnisse in Psychologie hier weitaus nicht ausreichten. Trotzdem würde sie alles versuchen, um Sandra irgendwie zur Vernunft zu bringen. Schon oft, sie genau solche Szenen im Fernsehen verfolgt und hoffte nun, dass man sich wenigstens in diesen Situationen auf den Wahrheitsgehalt der Serien und Soaps verlassen konnte. Stevie musste einfach nur mit ihr reden, sie ausfragen, dann könnte sie Schritt für Schritt immer weiter zu ihr hingehen und Sandra dann letztlich davon abhalten eine Dummheit zu begehen.

„Wir beide sind unzertrennlich. Wenn er krank geworden wäre, hätte er gemerkt, wie sehr er mich braucht. Wie sehr ich ihn liebe.“

Wieder ging Sandra einen Schritt in Richtung des Abgrunds.

„Aber er hat von dir die Pillen gekriegt“, sagte Stevie mit verständnisloser Stimme.

„Das war ein Versehen. Ich wollte, dass er krank wird, aber dann bekam er einen Herzinfarkt.“

Stevie ging wieder ein paar kleine Schritte auf Sandra zu. Immer wieder sah sie in den Abgrund hinunter.
Der Wind wurde immer stärker, Blitze durchbrachen die dunkle Nacht und der Regen floss inzwischen in Strömen.
Das Geständnis von Sandra über Harrys Tod und die immer stärker, größer und heller werdenden Blitze, ließen das ganze Szenario gespenstisch erscheinen.
Der Himmel tobte, als ob Harry über ihnen wüten würde. So als ob er erschrocken und erbost darüber wäre, was seine Ehefrau getan hatte.

„Wieso…wieso sollte ich verdächtigt werden?“

Diese Frage brannte Stevie, seit Sandras Auftauchen, auf der Zunge.
Wieder ging Harrys Witwe einen Schritt auf den Abgrund zu.

„Du warst da. Harry hasste dich. Ich habe beim Truckstop die Pillen in deinem Handschuhfach deponiert. Ich hab sie in deine Wasserflasche getan…“

Stevie blieb stehen, sie ging nun nicht mehr weiter, da sie nahe genug bei Sandra stand. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Wie konnte ein Mensch nur zu so etwas in der Lage sein.
Sandra musste wirklich verzweifelt gewesen sein oder eher schon dem Wahnsinn nahe und jetzt, jetzt brachte sie ihre Liebe zu Harry fast um.

„…Kate hat das Video gesehen, du und Harry beim Streiten. So einfach!...“, fuhr Stevies Gegenüber ihre Erklärung fort.

Sandra war am Ende ihrer Kräfte und ihre Stimme wurde immer leiser. Sie selbst konnte nicht glauben, was sie getan hatte. Tränen liefen ihr über die Wangen, zuerst nur tropfenweise, aber dann wurde ihr Weinen, genauso wie der Regen, immer heftiger und endete schließlich in einem haltlosen Schluchzen.

„Es war ein Fehler!...“, schrie sie in den Himmel hinauf, "… ich dachte immer, ich bräuchte niemanden! Ich kann nicht ohne ihn! Ich brauche ihn so sehr!“

Stevie wusste, wenn Sandra jetzt wieder einen Schritt nach vorne wagen würde, dann wäre alles vorbei. Sie konnte kaum den Gedanken zu Ende bringen, als Sandra genau diesen Schritt machte.

„Sandra nicht.“

Stevie sprang auf die braunhaarige Frau zu und riss sie zu Boden, welcher durch den heftigen Regen zu einer spiegelglatten Oberfläche geworden war. Ein Schrei aus Sandras Mund war das Letzte, was Stevie von ihr hören konnte. Beim Fall auf den aufgeweichten Untergrund rutschte Stevies linker Fuß weg und riss ihren Körper geradewegs auf den Abgrund zu. Sie konnte sich nicht mehr halten und glitt wie in Zeitlupe immer weiter zu der Kante hin, die zu der Schlucht führte und die das Ende bedeuteten würde. Sie versuchte sich an irgendwelchen Sträuchern, Wurzeln oder auch nur an einfachen Grashalmen, die vereinzelt aus dem schlammigen Boden ragten, festzuhalten. Ihre Finger gruben sich in die mit kleinen Steinen übersäte Erde, doch vergebens. Sie hatte keine Chance. Sie konnte nichts sagen, konnte nicht schreien. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, ihre Kehle war wie zugeschnürt. Ihr Atem wurde schneller und schwerer. Ihre Gedanken überschlugen sich und verzweifelt versuchte sie den einen Namen zu schreien... Alex...
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#102

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Chapter 2
Stevie hatte schon häufig gehört, dass, wenn man starb, sich das ganze Leben wie ein Film vor dem Inneren Auge abspielte. Sie hatte nie daran geglaubt. Doch jetzt... jetzt da sie dem Tode so nahe war, spulte sich der Film ihres Lebens in ihrem Kopf ab. Sie sah alles genau vor sich. Die erste Begegnung mit Alex und Claire und ihre Freundschaft zu den Beiden. Ihre wilden und aufregenden Zeiten beim Rodeo. Rose, ihre geliebte Rose. Das Wiedersehen nach vielen Jahren mit Claire und Alex. Der schwere Start mit Tess nach Claires Tod. Die Freundschaft, die sie seither mit Claires Schwester pflegte. Ihre Liebe zu Alex, welche aufrichtig, endlos und lodernd entbrannte und doch so hoffnungslos schien. Der Verlust jener Liebe an eine andere Frau...

Als Alex Fiona heiratete, hatte dies Stevie aufs Schmerzlichste getroffen. Die Schmerzen in ihrem Inneren waren kaum zu ertragen gewesen, es hatte sich angefühlt, als wenn ihr jemand das Herz aus der Brust gerissen hätte. Immer und immer wieder hatte sie sich gesagt: „Stevie, du hattest deine Chance, aber du hast sie vertan. Wärst du nicht so ein Feigling gewesen und hättest nicht so lange gezögert, dann wärst du vielleicht jetzt an ihrer Stelle.“

Aber egal, wie oft sie sich diesen Satz auch vorgesagt hatte, es tat jedes Mal unendlich weh, wenn sie Alex mit Fiona sah. Jede Sekunde, die sie nicht mit ihm verbringen konnte, war verschwendete und sinnlose Zeit. Denn in jeder dieser Sekunden, vermisste sie Alex, ihren Alex, die Liebe ihres Lebens.
Wenn auch sehr widerwillig, hatte Stevie sich erst kürzlich vorgenommen, sich nun mit der Situation und somit auch mit Fiona als Alex´ Frau abzufinden.
Doch, dann war da dieser Streit vor dem Pub gewesen. Sie und Alex hatten sich angeschrieen und zum Schluss beinahe geküsst. Seitdem war sie noch aufgeregter, wenn sie Alex sah. Denn das Gefühl, dass Alex sie vielleicht doch lieben könnte, ließ sich nicht mehr los. Sie hatte es in seinen Augen gesehen, diese tiefe, sehnsüchtige Liebe, die auch sie für ihn empfand.
"Natürlich, will ich dich!", hatte Alex zu ihr gesagt. Was sonst sollte dieser Satz bedeuten, wenn nicht, dass er genauso für sie empfand, wie sie für ihn? Sie müsste mit ihm reden, sie müsste mit ihm über die Sache beim Pub sprechen, über ihre Gefühle für ihn.
Verzweiflung stieg in ihr auf, sie wollte nicht sterben ohne Alex gesagt zu haben, was sie für ihn empfand.
Plötzlich war Stevie nichts Anderes mehr wichtig, als Alex zu sagen, wie sehr sie ihn liebte.
Aber er war nicht da, jetzt da sie ihn am dringendsten brauchte, war er nicht da.
Stevie hatte schon vor langer Zeit den Glauben an Gott verloren, doch hier und jetzt betete sie zu ihm.
Sie betete für ein Wunder, obwohl sie wusste, dass dies hoffnungslos war. Sie betete dafür, dass sie Alex nur noch ein Mal wieder sehen würde. Sein Gesicht noch ein Mal berühren zu dürfen, noch ein Mal seinen ganz eigenen Duft einatmen zu können, nur noch ein Mal seine Lippen auf ihren spüren zu können.
Sie würde alles dafür geben, dass dieser Wunsch in Erfüllung ginge.
Alles würde Stevie dafür geben. ALLES! So irrwitzig es auch klingen mochte, sie würde ihr Leben dafür geben.
Es konnte doch nicht hier und jetzt zu Ende gehen. Nicht so… nicht ohne, dass sie Alex gesagt hatte, wie sehr sie ihn liebte…

Ihre Finger gruben sich härter in den, vom Schlamm durchweichten, Boden. Mit letzter Kraft versuchte sie den drohenden Fall abzuwenden, aber ihre Hände fanden keinen Halt. Mit weit aufgerissenen Augen, die eine unglaubliche Furcht widerspiegelten, rutschte sie immer weiter in Richtung Abgrund, bis sie vollends über der Kante verschwunden war.

Sandras Schluchzen verstummte schlagartig. Ihre Tränen gefroren auf ihren Wangen. Eine bedrückende Totenstille breitete sich über die gesamte Umgebung aus.
Weder der Wind, noch der Regen gaben noch einen Laut von sich. Das Leuchten der Blitze war erloschen und der Donner hatte sich auf unerklärliche Weise zurückgezogen. Ja, nicht einmal mehr das seichte Schlagen der Flügel, der lästigen Parasiten in der Luft, war noch zu hören.
Sandra setzte sich auf. Sekunden, Minuten, Stunden, sie wusste nicht wie lange sie, auf dem mit Wasser voll gesogenen, Boden gelegen hatte.
Was war passiert?
Panisch blickte sie sich um, bevor ihr Hirn langsam zu realisieren schien, was sich in den letzen Minuten hier abgespielt hatte. Nein, das konnte nicht sein… NEIN!!!


Fest drückte er seinen linken Fuß gegen das mit Gummi überzogene Gaspedal. Obwohl er seinen Wagen bis zur Höchstleistung antrieb, schien ihm das Tempo immer noch zu langsam zu sein.
Panik und Adrenalin durchschossen in Wellen seinen Körper, seit Regan ihn vor ein paar Minuten ganz aufgeregt angerufen hatte. Sie hatte ihm überhastet und mit einer sich überschlagenden Stimme erzählt, dass Sandra auf Drovers aufgetaucht war, Stevie einen Brief übergeben und sich anschließend wieder davon gemacht hätte. Sandra war scheinbar völlig aufgelöst gewesen, sodass Stevie ihr gefolgt war.
Nicht der Brief oder Sandra hatten in Alex diesen Schwall von Panik ausgelöst, sondern Regans letzte Worte:
… Stevie war Sandra gefolgt…

Alex´ Stiefmutter war irre, was wäre wenn sie Stevie etwas antäte?
Was wäre, wenn… nein, er durfte nicht daran denken.
Er hatte alles stehen und liegen lassen und war zu seinem Wagen gerannt.
Noch nie in seinem Leben hatte er eine solche Angst verspürt, noch nie hatte eine solche Verzweiflung von ihm Besitz ergriffen.
Die letzte Zeit war nicht nur für Stevie anstrengend und nervenaufreibend gewesen. Auch Alex hatte die ganze Sache sehr mitgenommen. Nicht nur der Tod seines Vaters und die Aufklärung dessen hatten in ihm ein Gefühlschaos ausgelöst.
Nein, auch sein Verhältnis zu Stevie, seiner besten Freundin. Er könnte es nicht ertragen sie zu verlieren. Nicht eine einzige Minute, nicht eine einzige Sekunde hatte er geglaubt, dass sie Schuld am Tod von Harry war und er hatte nie daran gezweifelt, dass die Wahrheit eines Tages ans Licht kommen würde.
Doch die Ungewissheit über die bevorstehende Anhörung und die Verhandlung war geblieben.
Würden der Richter und die Geschworenen ein gerechtes Urteil fällen? Alex war dieser Frage bis heute immer ausgewichen, er wollte diesen Gedanken, den Gedanken, dass Stevie ins Gefängnis musste, nicht ein Mal zulassen. Er wusste, hätte er diese Option in seinem Kopf zugelassen, er wäre damit nie im Leben klargekommen.

Die Fahrt zu der Stelle, an der er vor nicht einmal einem Jahr Harry, seinen Vater, zur letzten Ruhe getragen hatte, kam Alex wie eine Ewigkeit vor. So viele Gedanken und Gefühle brachen auf ihn herein.
Er schüttelte seinen Kopf, kniff kurz die Augen zusammen, um sich wieder voll und ganz auf die Straße und den Verkehr zu konzentrieren. Die Gefühle, die drohten in ihm hochzukommen, verbannte er in den Hintergrund. Jetzt war nur wichtig, dass er möglichst schnell zu ihr kam.
Stevie… sie war jetzt wichtig… Sie war das Wichtigste…

Immer wieder stellte er sich ein und dieselbe Frage.
Wie konnte das passieren? Er hätte beinahe seine beste Freundin geküsst. Wieso musste er immerzu an sie denken?
Sogar, wenn er über die Weiden und an den Zäune entlang ritt. Normalerweise hatte ihn die Arbeit sonst immer auf andere Gedanken gebracht.
Seit jenem, Tage vor dem Pub, eben nicht mehr.
Jede Frau, die ihm begegnete verglich er mit Stevie. Sogar Kate und Jodi, ja auch Sandra, verglich er mit Stevie.
Warum nur?
Nur, um dann doch wieder feststellen zu müssen, dass keine andere Frau Stevie das Wasser reichen konnte?
Nur, um wieder feststellen zu müssen, dass keine, aber wirklich gar keine andere Frau so hinreißend und anziehend in ihrer Art und Weise war, wie Stevie?
Je länger seine Gedanken um diese eine einzigartige Frau kreisten, desto bewusster wurde ihm, dass es mehr war, als nur eine rein platonische Freundschaft, die er für Stevie empfand.
Und plötzlich war es ihm klar, es war, als ob jemand einen Vorhang zur Seite geschoben hätte und sein Blick geklärt wurde. Er begehrte Stevie, er vermisste sie wenn sie sich nicht in seiner Nähe aufhielt, er verzehrte sich nach ihr. Er liebte sie… Er durfte sie nicht verlieren…

Je näher er nun dem Ort kam, an dem die Mädels Stevie und Sandra vermuteten, desto nervöser und aufgeregter wurde er. Seine Hände waren mit einem Schweißfilm überzogen, sodass er Mühe hatte das Lenkrad festhalten zu können. Sein Herz schlug kräftiger und raste ihm förmlich davon. Er müsste es ihr sagen, müsste ihr sagen, wie sehr er sie liebte.
„Bitte lieber Gott, lass es nicht zu spät sein… bitte…“, sagte er in die Stille seines Wagens hinein und drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch.
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#103

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Chapter 3
Noch immer lag diese bedrückende Stille in der Luft. Langsam rappelte Sandra sich wieder auf, doch sie schien immer noch nicht zu begreifen was passiert war. Nachdem sie sich mehrmals zu räuspern versucht hatte, kam endlich wieder ein Laut aus ihrer Kehle. Sie rief erst ganz leise und dann immer lauter Stevies Namen. Doch sie bekam keine Antwort! Es war unheimlich! Das ganze Szenario war unheimlich und Sandra fing an zu frösteln. Die Stille, die Luft, die von dem Gewitter noch zu vibrieren schien, der Schlamm, der sich am Boden bis zu der Klippe hinzog und hinter dem Abgrund das schwarze Nichts.
Sandra fing an zu wimmern, was war passiert? Was hatte sie nur getan? Sie kroch so schnell sie konnte auf den Abgrund zu. Sie wollte sich erheben, wollte rennen, aber dazu war sie nicht in der Lage. Sie wäre sofort wieder in sich zusammen gesunken. Wieso war Stevie hier überhaupt aufgetaucht?

Als Sandra endlich beim Abgrund angekommen war und über die Kante hinunter sehen konnte, sah sie Stevie auf einem kleinen Felsvorsprung liegen. Die junge Frau bewegte sich nicht. Ihre Beine waren unnatürlich verdreht, was auf Grund der Höhe, aus der sie gefallen sein musste, auch kein Wunder war. Sandra glaubte zu sehen, wie sich Stevies Brustkorb bewegte und hörte sofort auf zu wimmern und zu schreien. Sie hoffte, Stevies Atem in der Stille hören zu können. Doch Sandra hatte sich getäuscht! Natürlich konnte sie Stevie nicht atmen hören, selbst wenn sie tatsächlich noch atmen würde. Laut rief Sandra nun Stevies Namen, doch diese gab weder Antwort, noch bewegte sie sich. Panik breitete sich in Sandra aus. Das konnte doch nicht sein. Das durfte einfach nicht sein! Sie wollte doch nur zu Harry, wollte endlich wieder mit ihrem Liebsten vereint sein und jetzt...
Jetzt lag Stevie dort, wo sie eigentlich liegen wollte. Jetzt musste sie mit einem weiteren Leben auf dem Gewissen klarkommen. Doch Sandra wusste, dass sie dies nicht konnte und auch nicht wollte. Sie überlegte nun panisch, wie sie zu Stevie hinuntergelangen könnte.
Und dann???
Wie sollte sie, wo sie doch selbst zu geschockt und zu schwach war, Stevie helfen?
Sandra schrie so laut sie konnte um Hilfe, so erschreckend laut, dass sämtliche Vögel und Tiere, die zu schlafen schienen aus ihren Nachtplätzen aufschreckten und davon flogen….

Alex war unterdessen nicht mehr weit entfernt, als plötzlich dieser markerschütternde Schrei in seine Ohren drang. Die Angst, die er schon seit dem Telefonanruf von Regan in sich spürte, verstärkte sich noch mehr. So einen Schrei hatte er noch nie in seinem Leben gehört und sein Herz setzte einen Schlag aus, bevor es in seiner Brust zu rasen anfing. Er versuchte das Gaspedal nun noch fester und stärker durch zu treten. Doch sein Fuß stieß auf Gegenwehr. Der Wagen schoss schon mit Höchstgeschwindigkeit über die Strasse und Alex hatte Mühe ihn bei den Unebenheiten unter Kontrolle zu halten. Die Minuten bis er an seinem Ziel war, zogen sich zäh, wie Kaugummi, in die Länge. Sein Atem ging schnell und das Blut schoss pulsierend durch seinen Körper.
Fluchtartig verließ er den Wagen und suchte mit hastigen Augenbewegungen nach der Frau, deren Gesicht sich in seinem Kopf und in seinem Herzen eingebrannt hatte. Die Frau, die ihm doch weitaus mehr bedeutete, als alles andere auf der Welt.

Sandra lief mittlerweile panisch von einer Stelle zur anderen und stieß ein Jammern aus, welches Alex durch Mark und Bein fuhr. Er erstarrte, das Blut gefror in seinen Adern. Die Wärmezirkulation, die es sonst dem Körper vermitteln sollte, fiel aus. Wie versteinert blieb er stehen, seine Beine gehorchten ihm nicht mehr und wie betäubt starrte er auf die schreiende Frau vor ihm.
Sein ganzer Körper fing an zu zittern. Bilder von Claires Tod quälten sich in seinen Kopf zurück und brannten sich wieder in seinen Verstand. Die Angst genau das Gleiche, genau die gleiche Leere und Starre schon wieder in den Augen einer verloren Liebe zu sehen, die Angst wieder einen kalten, leblosen Körper berühren zu müssen und heiße Tränen darauf zu vergießen, ergriff von Moment zu Moment immer mehr Besitz von ihm.

Nein, nicht schon wieder zu spät, nicht schon wieder, schrie eine innere Stimme in ihm.

In diesem Moment entdeckte Sandra Alex und schrie seinen Namen. Doch dieser reagierte nicht. Er hörte sie nicht. Er starrte nur in die dunkle Leere, die sich hinter den Klippen abzeichnete. Langsam, ganz langsam trat er auf den Abgrund zu und blickte in die Tiefe. Da lag sie, ihr Körper seltsam verdreht, ihr Gesicht gegen den Himmel gerichtet so blass und doch so wunderschön. Wie ein Engel. Den schönsten, den die Welt jemals zu Gesicht bekommen hatte.

Sandra lief auf Alex zu, schrie ihn an, zerrte an ihm. Schlug ihm ins Gesicht, doch Alex reagierte nicht. Immer noch stand er, wie gelähmt, am selben Ort und blickte in die Tiefe. Von weitem drang das Geräusch von Sirenen in sein Ohr und holte ihn in die Realität zurück. Alex drehte sich um und ging zurück zum Auto.
Er wollte weg, weg von hier. Flüchten vor seinen Gedanken und Vorstellungen. Er stieg in seinen Wagen und versuchte den Motor zu starten. Seine Hände zitterten, sie fanden kaum das Zündschloss. Sein Herz raste, es schlug hart und schnell in seiner Brust.

Dann endlich, der Schlüssel steckte. Wie in Trance drehte er ihn und drückte auf die Kupplung. Doch der Motor stotterte und krächzte nur vor sich hin. Erschöpft von der Angst und den Anstrengungen seines Hirns, ließ er seinen Kopf auf das Lenkrad sinken und schloss für einen Moment die Augen. Immer und immer wieder sah er die schrecklichsten Sekunden in seinem Leben vor sich.
Claire. Das Auto. Die Klippe. Die leeren, starren Augen….

Eine Weile lang hing Alex nur diesen schrecklichen Gedanken nach. Dann endlich, fasste er all seinen Mut zusammen und stieg aus seinem Auto aus. Vielleicht war es gar nicht so schlimm, vielleicht konnte er Stevie doch noch in seine Arme schließen.
Hastig lief er zum Kofferraum, holte ein Seil heraus und band es fest.
Das waren die kleinen Dinge, die sich seit Claires Tod eingebürgert hatten, das Seil war sein ständiger Begleiter geworden.
Alex ging nun auf Sandra zu, die mittlerweile apathisch da saß, in die Leere starrte und keinen Mucks mehr von sich gab.
„Sandra, du musst mich sichern, du brauchst nicht viel zu tun, nur auf das Seil achten.“, sagte Alex entschlossen und sah sie eindringlich an.
Sandra hatte Alex noch nichts von dem, was passiert war, erzählt. Alex wäre auch nicht in der Lage gewesen sich das anzuhören, er konnte Sandra nicht einmal darauf ansprechen. Das war im Augenblick auch völlig egal. Der Schock und die Angst saßen zwar immer noch tief, nur war Alex jetzt fest entschlossen, zu Stevie runter zu klettern und sie von diesem Felsvorsprung rauf zu holen. Egal was ihn dort unten erwartete.
Sandra jedoch reagierte nicht.
„Sandra!“, schrie Alex sie an, „hörst du?“, er ging zu ihr, packte sie an den Schultern und schüttelte sie ein wenig.
„Sandra?...“
Sandra sah Alex nun direkt in die Augen, doch irgendwie schien sie immer noch nicht ganz sie selbst zu sein. Psychisch war Sandra schon seit einiger Zeit labil und wahrscheinlich hatten die Vorkommnisse in den letzten Stunden diesen gefährlichen Zustand noch verschärft. Denn Alex sah in ihren Augen, dass sie jegliche Wahrnehmung für das reale Leben verloren hatte. Er konnte jetzt nur von ganzem Herzen hoffen, dass sie wenigstens für ein paar Minuten wieder zu sich kam und ihm helfen würde.
„Sandra, Harry hat gesagt er verzeiht dir, wenn du mir hilfst Stevie rauf zu holen.“
Sandra wurde hellhörig, als Alex den Namen ihres verstorbenen Ehemannes erwähnte. Ihre Pupillen bewegten sich und für einen Moment lächelte sie ihn an.
„Hey, hör mir zu, du musst mich sichern, hörst du? Harry will, dass du mir hilfst.“
Sandra sagte kein Wort, nickte ihm aber zu und stand langsam auf.
„Ich fahr den Wagen jetzt näher an die Klippe und dann gehe ich runter. Du musst nur da stehen und aufpassen.“, sagte Alex und ging zum Auto.

Er parkte den Wagen nun in unmittelbarer Nähe des Abgrunds, warf noch einmal einen ängstlichen Blick auf Sandra und ging näher zu der Klippe. Zum zweiten Mal nahm er allen Mut zusammen und blickte in das schwarze Loch hinunter. Er spürte wie sein Puls raste, spürte wie das Blut durch seine Adern schoss und das Adrenalin sich in seinem Körper ausbreitete. Panik stieg in ihm auf, seine Hände zitterten als er noch einen Blick auf Stevie warf. Er schloss kurz die Augen, atmete noch einmal tief durch und band das Seil um seinen Körper.
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#104

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Chapter 4
Alex warf noch einen letzten hoffenden Blick auf Sandra und ließ sich hastig den Hang hinunter gleiten. In diesem Moment, in dem er an dem Seil hing und in die Schlucht hinunter stieg, wurde ihm bewusst, was Nick damals zu ihm gesagt hatte, als er nicht schnell genug zu Claire kommen konnte.
Die Worte hatten sich in seinem Kopf festgebrannt und er hatte sich manchmal gefragt ob er Claire hätte retten können, wenn er schneller bei ihr gewesen wäre. Natürlich hatten ihm seine Freunde und auch die Ärzte versichert, dass Claire bereits einige Minuten tot war als er bei ihr ankam. So hätte es auch nichts geholfen, wäre er ein paar Sekunden eher unten gewesen. Trotzdem konnte er in der jetzigen Situation diesen Gedanken nicht abschütteln und er trieb seinen Köper zur Eile an. Seine Schritte überschlugen sich und er verlor ein paar Mal mit seinen Füssen den Halt an der steilen Felswand. Alex hielt kurz inne, atmete noch ein Mal tief durch und ließ sich weiter an dem Seil nach unten gleiten.

Je näher er dem kleinen Felsvorsprung kam, desto schlimmer sah die Gemütslage in seinem Innern aus. Sein Herz raste immer schneller und der Angstschweiß schoss ihm aus jeder Pore, sodass er die Feuchtigkeit auf seinem Gesicht spüren konnte. Seine Hände fühlten sich immer rutschiger an und wieder erschienen die Bilder von Claire in seinen Kopf. Alex hielt es kaum noch aus. Der Drang so schnell wie möglich zu Stevie zu gelangen wurde übermächtig. Wieder verlor er die Kontrolle über seine Beine. Schneller und schneller wollten diese ans Ziel gelangen, sodass er ab und zu die Felswand gar nicht mehr berührte und sekundenlang einfach nur in der Luft baumelte.

Sandra sah von der Klippe auf Alex Körper hinunter und hoffte inständig, dass er nicht zu spät kam und Stevie noch am leben war. Während sie bangte und Gott innerlich anflehte, hörte sie plötzlich ein merkwürdiges Geräusch neben sich. Sandra schrie auf.
„Alex!...Alex, das Seil reißt!“ Er hörte sie, reagierte jedoch nicht, da er doch so schnell wie nur irgendwie möglich zu Stevie wollte.
„Alex!“, schrie Sandra wieder. Ihre Stimme überschlug sich, soviel Angst und Panik spiegelten sich in dieser wieder.
„Alex…mach langsamer!“
„Ja, ja, ich bin gleich unten“, rief Alex zurück, ohne den Blick von der Schlucht zu nehmen. Doch dann passierte es. Das Seil riss. Alex stürzte in die Tiefe und Sandras Schrei ließ die Erde erzittern.
„Alex?...Alex, geht es dir gut? Hast du dir was getan?“
Die Angst fuhr Sandra durch Mark und Bein. Was wäre wenn jetzt auch noch Alex was passiert war.
„Alex?...Verdammt, jetzt sag doch was!“, brüllte sie ängstlich. Jetzt, wo sie glaubte sich wieder einigermaßen beruhigt zu haben, krallte sich die Panik wieder in ihrem Herzen fest.
„Mir geht es gut, alles in Ordnung.“ antwortete Alex dann plötzlich in die Stille hinein.
Er hatte Glück gehabt. Die paar Meter, die er gefallen war, hatte sein Körper unbeschadet überstanden. Er spürte keine Schmerzen, jedenfalls im Moment nicht. Er war dort wo er hinwollte, er war bei Stevie. Alles andere war unwichtig.
Schnell stand er auf und wandte sich Stevie zu. Er hob eine Hand und legte sie an ihren Hals. Er spürte ein leichtes Pochen an seinen Fingern. Es war zwar schwach aber es war eindeutig ihr Puls. Unglaublich er fühlte ihren Puls. Die eisige Klammer die sich um sein Herz gelegt hatte, begann sich langsam zu lösen. Er näherte sein Kopf ihrem Mund und konnte ihre flache Atmung in seinem Gesicht spüren. Sie atmete, ihr Herz schlug, das war alles was zählte.
Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie gerettet wurden, denn die Sirenen waren nun weitaus deutlicher zu hören, also zuvor.
„Sandra, Sandra lauf schnell zur Straße, die Feuerwehr müsste gleich hier sein. Die wissen nicht genau, wo sie hin müssen.“, schrie Alex und in seiner Stimme war die Erleichterung deutlich zu erkennen.
„Geht es Stevie gut? Ich meine, lebt sie noch?“
„Aber ja, sie lebt!“, rief er nach oben und lächelte, „Jetzt lauf schon!“
Alex fuhr sanft mit seiner Hand über Stevies zartes Gesicht. Er berührte jeden einzelnen Zentimeter, so als ob er sich alles genau einprägen müsste, da er sie nie wieder so berühren könnte. Vorsichtig hob er ihren Kopf an und legte ihn in seinen Schoß. Erst jetzt, wo er hier bei ihr war, erst jetzt realisierte er alles, was passiert war. Die ganze Anspannung, die seinen Körper immer wieder erzittern ließ, fiel nun mit einem Mal von ihm ab. Seine Augen füllten sich mit dieser salzigen Flüssigkeit, die sich Tränen nannte. Sie liefen ihm unaufhaltsam über das Gesicht und nässten sein Hemd. So sehr er versuchte, dieses schreckliche Wasser der Trauer und manchmal auch des Glücks zurück zu drängen, jetzt konnte er es nicht mehr aufhalten. So überwältigt war er davon, dass Stevie noch lebte und er sie nun in seinen Armen halten konnte. Eine dieser vielen Tränen, die ihm hemmungslos über sein Gesicht liefen, schien eine magische Wirkung zu haben. Eine Wirkung wie man es sonst nur aus Märchen kannte. Diese eine magische Träne, die auf das Gesicht von Stevie tropfte, brachte diese dazu, ihre Augen zu öffnen.

Stevie glaubte, sie sei schon im Himmel, als sie in Alex´ Augen sah. Mit jeder Sekunde, die sie länger in seine Pupillen starrte wurden diese blauer und funkelnder, bis sie schon fast unrealistisch wirkten.
„Alex…ich muss dir was sagen…“, keuchte sie und brach dann mitten im Satz ab. Zu stark strengte sie das Reden an und zum Bilden eines vollständigen Satzes fehlte ihr im Moment die Kraft
Alex war von seinen Gefühlen immer noch vollkommen überwältigt. Er konnte nicht aufhören zu weinen und seine Tränen tropften auf Stevies Gesicht und Körper.
„Shhhht…es gibt nichts, was du mir nicht auch später noch sagen kannst. Du darfst dich nicht zu sehr anstrengen.“
Er lächelte und wischte sich die Tränen aus seinem Gesicht, aus Angst es könnte wieder ein Tropfen auf ihrem Gesicht landen und genau das Gegenteil von dem bewirken, was gerade vor ein paar Minuten geschehen war. Alex fuhr mit dem Daumen ihre Stirn entlang und strahlte sie an. Es war einfach unglaublich ihr wieder in die Augen sehen zu können. Nie wieder würde er damit aufhören, nie wieder würde er sie gehen lassen, nicht jetzt, wo er sie endlich gefunden hatte.

In Stevies Innerem dagegen sah es ganz anders aus. Sie hatte gebetet, dass sie ihn noch ein Mal wieder sehen durfte. Sie hatte gebetet, dass sie ihm noch ihre Gefühle mitteilen konnte, da sie dies bisher verpasst hatte. Anfangs konnte sie sich ihre Gefühle nicht eingestehen und dann, als sie endlich begriffen hatte, was er ihr bedeutete, war er nach einem Streit mit Harry in die Stadt gefahren und mit einer anderen Frau zurückgekehrt. Damals war es zu spät gewesen um ihm zu sagen wie sehr sie ihn liebte, wie sehr sie ihn brauchte und wie sehr sie ihn jede Sekunde in ihrem Leben vermisste. Doch nun hatte sie noch eine Chance gekriegt, ihre letzte. Stevie musste es Alex jetzt sagen, auch wenn es ihr schwer fiel. Nicht emotional, sondern körperlich. Zu sprechen, strengte sie unglaublich an, aber das war egal. Alles was wichtig war, war, dass Alex wusste was sie für ihn empfand.
„Alex…“, begann sie wieder mühevoll.
„Steves, ist schon gut! Das kannst du mir auch noch morgen sagen, wir haben alle Zeit der Welt.“
„Nein warte, lass mich ausreden.“, sagte Stevie und holte tief Luft, da es ihr sichtlich schwer viel zu atmen. Ihr Brustkorb schmerzte, überhaupt taten ihr alle Knochen weh, aber das spielte jetzt keine Rolle. Sie wollte und musste mit Alex sprechen, jetzt und hier.
„Ich hab mir so sehr gewünscht dich noch ein Mal sehen zu dürfen. Es ist Angst einflössend, weil ich nicht weiß, was in den nächsten Stunden mit mir passiert…“, sie machte eine kurze Pause, um tief Luft zu holen. Doch mehr als ein stumpfes Hecheln und ein teilweises merkwürdiges Krächzen, begleitet von kräftigen Hustenanfällen und schlimmen Blutspucken, kam dabei nicht raus. Wirklich atmen konnte sie nicht, Stevie hatte das Gefühl, als würde es ihr bei jedem Atemzug die Lunge zerreißen. Dennoch nahm sie alle Kraft zusammen und sprach weiter.
„Ich wollte dich noch ein letztes Mal sehen, um dir etwas Wichtiges zu sagen. Etwas das ich dir schon längst hätte sagen sollen. Aber vorher möchte ich, dass du mir etwas versprichst.“
Stevie wartete nun Alex´ Reaktion ab und machte eine Pause. Mit jedem Wort wurde ihre Atmung schwächer und die Schmerzen stärker.

Alex hatte Stevie die ganze Zeit über einfach nur zugehört. Doch jetzt musste er etwas sagen, denn er hatte den leisen Verdacht, dass sie ahnte, was mit ihr passieren würde. War es denn nicht so, dass Menschen kurz vor ihrem Ableben spürten, wenn es mit ihnen zu Ende ging? Schon oft hatte Alex davon gelesen und gehört, doch dieses Mal glaubte er es nicht. Stevie hatte diese Gabe nicht. Sie konnte es nicht spüren, konnte nicht fühlen, dass sie sterben würde. Das durfte einfach nicht sein.
„Steves, was redest du da für wirres Zeug? Ein letztes Mal sehen? Von jetzt an lasse ich dich nicht mehr aus den Augen, nie wieder wird auch nur eine Sekunde vergehen, in der ich nicht bei dir sein werde. Für immer…“
„Alex, bitte!“, unterbrach Stevie ihn so energisch wie es ihr möglich war.
„Na schön, ich verspreche es dir, was immer es auch sein mag. Ich mache alles für dich, nur für dich“, schwor Alex.
„Sehr gut! Ich möchte, dass du mir versprichst, dass du nicht um mich weinen wirst, dass du nicht wieder in ein so tiefes Loch fallen wirst, denn ich hab Angst davor, dass du da nicht wieder raus kommst.“, wieder machte sie eine Pause. Die Schmerzen wurden immer schlimmer. Stevie hielt es kaum mehr aus, doch sie würde ihre letzte Kraft dafür verwenden, dies mit Alex zu klären und ihm dieses Versprechen abzunehmen.
Alex schüttelte energisch den Kopf, er wollte nicht hören und nicht glauben, was Stevie da sagte. Doch als ihm bewusst wurde, dass sie eh nicht nachgeben und darauf beharren würde, wurde aus dem energischen Nein allmählich ein Ja.
Er gab ihr das Versprechen, wenn auch widerwillig. Aber er wollte einfach nicht, dass sie zuviel ihrer Energie verschwendete für unnötige Sätze und Worte. Denn diese Energie benötigte sie jetzt zum Atmen, zum Leben.
„Also, was ich dir eigentlich sagen wollte, was ich dir sagen muss, da es vermutlich das Letzte sein wird…“, wieder entstand eine Pause in der Stevie Blut spuckte.
Alex holte ein Tuch aus seiner Hosentasche und wischte ihr damit zärtlich über das Gesicht.
„Ich liebe dich Alex! Ich liebe dich von ganzem Herzen. Ich habe dich immer geliebt und werde dich auch immer lieben!“, brachte Stevie mit letzter Kraft heraus. Sie schluckte das Blut, welches sich in ihrem Mund angesammelt hatte hinunter und ihre Atmung wurde schwächer und schwächer. Sie spürte wie eine angenehme Müdigkeit sie übermannte, langsam schloss sie die Augen...
„Ich liebe dich auch, Steves. Sehr sogar, ich liebe dich mehr als mein Leben.“, sagte er mit tränenerstickter Stimme.
Diese Worte waren die letzen die Stevie hörte. Sie spürte noch die Anwesenheit von Alex, spürte die Wärme seines Körpers und egal was jetzt kommen würde, hier und jetzt war der glücklichste Moment ihres Lebens. Die Schwere ihrer Lider wurde unerträglich und mit einem Lächeln auf den Lippen schloss sie ihre Augen.
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#105

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Chapter 5
Alex spürte, wie ihre Hand in seiner erschlaffte. Ihre Worte hämmerten noch in seinem Kopf. Sein Herz fing an zu rasen, neue Tränen bahnten sich zurück in seine Augen und suchten den Weg über sein schmerzverzerrtes Gesicht...
Eine Weile saß er einfach nur da und sah Stevie an, ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Dann endlich kamen die erlösenden Retter. Sie waren da und plötzlich ging alles ganz schnell. Ein junger, dunkelhaariger und ein etwas älterer Mann ließen sich mit Seilen hinunter zu Stevie und Alex. Bei den Beiden sah alles so einfach, sicher und doch schnell aus. Eben professionell. Der etwas Ältere, der schon stark ergrautes Haar hatte, musste wohl der Arzt sein. Die beiden Männer kamen auf dem Felsvorsprung an und der Jüngere machte sich sogleich daran Stevies Vitalwerte zu prüfen. Der Ältere dagegen stellte sich mit seinem Namen vor und fragte Alex nach den Geschehnissen und seinem Namen.
„Ich kann Ihnen nicht sagen, was passiert ist. Ich bin erst später dazu gestoßen, als alles schon geschehen war…“
Alex machte eine kurze Pause, ehe er weiter sprach, denn er hatte Mühe nicht wieder in Tränen auszubrechen.
„…wäre ich früher hier gewesen, hätte ich wahrscheinlich das Schlimmste verhindern können.“, fügte Alex traurig und eher zu sich gewandt hinzu.
Wäre er bloß früher an diesem Ort gewesen, der nun noch eine schrecklichere Bedeutung erlangte. Nicht nur, dass Harry, sein Vater hier seine letzte Ruhe gefunden hatte, nein, jetzt verband Alex noch eine weitaus schlimmere Erinnerung mit diesem Ort. Eine Erinnerung die er mit dem größten Schmerz und mit der größten Trauer in seinem Leben verbinden würde. Müsste er wirklich schon wieder an diesem Ort Abschied von einem geliebten Menschen nehmen?
Wäre er doch bloß schneller gefahren, er hätte alles verhindern können.

„Stevie war kurze Zeit wach. Sie atmete und ihren Puls konnte ich auch fühlen, aber sie spuckte Blut und wenig später hat sie vor Erschöpfung die Augen geschlossen.“
„Ok. Geht es Ihnen gut? Können Sie mir ihren Namen sagen?“, fragte der Arzt, da er Alex´ Wunde am Kopf sah.
„Ähm…entschuldigen Sie, Doc. Alex, Alex Ryan ist mein Name. Machen Sie sich um mich mal keine Sorgen, mir geht es gut. Viel wichtiger ist doch, dass Sie dieser Frau hier helfen.“
Alex konnte das Geräusch eines Hubschraubers wahrnehmen. Der Arzt spürte die Unsicherheit und Angst seines Gegenübers. Er versuchte, so gut wie möglich, Alex die nun folgenden Schritte der Rettung zu erklären.
„Mr. Ryan, Ihre Frau ist in guten Händen. Aber ich möchte Sie gerne untersuchen. Auch wenn sie denken, dass es Ihnen gut geht, ich möchte mir das trotzdem gerne ansehen. Woher haben Sie diese Platzwunde?“
Alex wunderte sich darüber, dass der Arzt ihn für Stevies Mann hielt. Er hatte es doch nicht mit einem Wort so erwähnt, oder doch? Hatte er etwas gesagt und wusste es nun nicht mehr? Ging es ihm wirklich gut?
Trotzdem machte er keine Anstalten das Missverständnis aufzuklären. Wenn man ihn für Stevies Ehemann hielt, konnte er sie sicher ins Krankenhaus begleiten und würde auch Informationen über ihren Zustand erhalten.
„Die letzten Meter konnte ich nicht schnell genug unten sein, ich habe gar nicht bemerkt, dass ich mir die Wunde zugezogen habe.“
„Ok. Die Wunde muss mit ein oder zwei Stichen genäht werden, ist halb so schlimm, dennoch sollten Sie mit uns ins Krankenhaus fahren, damit wir andere Verletzungen ausschließen können.“, erklärte der Arzt, während er den Puls und den Blutdruck von Alex überprüfte.
Inzwischen wurde Stevie mit einer Halskrause und einem Tropf auf eine Trage gelegt und vom Hubschrauber nach oben gezogen. Dieser landete auf einer freien, passenden Stelle und flog dann mit Stevie in Richtung Melbourner Krankenhaus davon. Alex wurde unruhig.
„Moment, wo wird Mrs. Hall denn jetzt hingebracht? Ich wollte doch mit!“, sagte er mit einer etwas panischen Stimme. „Ich dachte, ich solle auch ins Krankenhaus.“
Alex wollte aufstehen und so schnell wie möglich hinterher. Doch sein Kreislauf machte ihm einen Strich durch die Rechnung und er sank zurück auf den Boden.
„Bleiben Sie ganz ruhig, Sie stehen doch mehr unter Schock, als sie glauben. Ihre Frau wird nach Melbourne ins Krankenhaus geflogen, da kann man ihr am Besten helfen.“
„Das ist ja toll! Kann ich bitte zu ihr?“
Alex wurde immer ungeduldiger. Er wollte zu Stevie, wollte wissen, wie es ihr geht. Er hatte doch versprochen sie nicht eine Sekunde mehr alleine zu lassen.
„Mr. Ryan, hören Sie. Erst einmal müssen wir bei Ihnen jegliche Nachwirkungen ausschließen können. Dann brauchen Sie etwas, was Ihren Kreislauf wieder aufpäppelt und Sie müssen viel trinken.“, sagte der Arzt und reichte Alex eine Wasserflasche.
Alex nahm diese, trank das Wasser in einem Zug aus, verschluckte sich bei den hastigen Bewegungen, die sein Rachenraum veranstaltete und sah den Arzt bittend, ja fast sogar schon flehend, an.
„Kann ich jetzt bitte zu ihr?“
Alex stand wieder auf, sank jedoch abermals zurück, denn so einfach, wie er sich das vorstellte, war es nicht.
„Na schön, Sie geben ja doch keine Ruhe. Ich bringe Sie nach Melbourne, aber erst wenn wir sicher sind, dass Ihr Kreislauf stabil ist.“, gab der Arzt schließlich nach.
„Nein, nein, schon gut! Ich fliege selbst hin. Nur lassen Sie mich endlich gehen.“
„Das können Sie sofort wieder vergessen. Sie stehen viel zu sehr unter Schock. So lasse ich Sie bestimmt nicht fliegen.“
„Ja, ja, dann lass ich mich eben fliegen.“
Alex wurde inzwischen hoch geholt und im Krankenwagen untersucht. Sein Kreislauf wurde mit einer Kochsalzlösung stabilisiert und die Wunde am Kopf genäht.
Doch in seinem Kopf spielte sich dies alles wie ein Film ab. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand das Herz aus der Brust gerissen. Die letzen Worte von Stevie kreisten in seinen Gedanken und eine unglaubliche Angst überfiel ihn. Sein Körper fing unkontrolliert an zu zittern und eine eisige Klammer legte sich um sein Herz. In diesem Moment wurde es Alex klar. Er wollte nie mehr ohne Stevie sein, keine Minute, keine Sekunde lang. Denn ohne sie hatte sein Leben keinen Sinn mehr...
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#106

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Chapter 6
Einige Zeit später im Krankenhaus

Alex hatte auf Drovers angerufen und die Mädels, so gut es ging, beruhigt. Er musste ihnen versprechen, dass er sich mindestens einmal pro Stunde meldete und ihnen über Stevies Zustand Bericht erstattete. Jetzt lief Alex nun schon seit geraumer Zeit den Flur vor dem OP-Bereich auf und ab.
Er war wieder Erwarten mit sich, seinen Gedanken und Gefühlen alleine. Vielleicht war dies ganz gut so, vielleicht aber auch nicht. Alex wünschte sich, dass wenigstens Nick hier bei ihm wäre. Er hätte in diesem Moment die Ruhe von Nick wirklich gebrauchen können. Sein Bruder könnte ihm helfen mit seinen schrecklichen Gedanken und Erinnerungen fertig zu werden. Aber er war auf sich alleine gestellt. Er musste mit all dem Schmerz, mit all seinen inneren Dämonen selber zurechtkommen.
Stevie war nun schon seit einigen Stunden im OP und Alex wusste immer noch nicht, was nun los war oder wie es ihr ging. Jedes Mal, wenn die Türe sich öffnete, ging er auf die Schwestern oder Ärzte zu und bat diese um Informationen. Doch immer wieder wurde er vertröstet, weil man entweder nicht Bescheid wusste oder es noch keine neuen Informationen gab. Jedes Mal musste Alex wieder warten, hoffen und bangen.

Kurzerhand entschloss er sich noch einmal auf Drovers anzurufen. Zwar konnte er den Mädels nichts Neues mitteilen aber es würde ihm helfen mit jemandem zu Reden.
„Alex? Bist du das?“, sprach Regan, sobald sie den Telefonhörer abgenommen hatte.
„Regan, ja ich bin es. Es gibt leider nichts Neues…“, sagte Alex mit bedrückter Stimme und schwieg.
„Noch immer nichts? Wie kann das sein? Hast du denn noch nichts erfahren können?“
„Nein, überhaupt nichts. Regan, habt ihr Nick und Tess zwischenzeitig erreichen können?“
Alex hoffte so sehr, dass er etwas von Nick hören würde und vielleicht sogar mit ihm sprechen konnte. Er hatte seinen Bruder noch nie so sehr vermisst, wie jetzt in diesem Augenblick.
„Nein, leider immer noch nicht.“
„Na schön, dann werde ich noch mal versuchen in Argentinien anzurufen. Vielleicht habe ich ja mehr Glück.“
„Ja, ist gut. Mach das. Wenn du was Neues weißt, meldest du dich wieder, ja?“
„Ist gut. Mache ich.“

Alex legte den Hörer zurück auf die Station und wollte eben Nick´s Nummer wählen, als er Schritte auf dem Krankenhausflur vernahm. Er drehte sich um und erblickte seinen Bruder, der direkt auf ihn zugelaufen kam.
Gott, wie froh war Alex, als er Nick sah. Die beiden Brüder umarmten sich und alle aufgestauten Gefühle lösten sich im Innern von Alex. Er fing haltlos an zu weinen. Nick war über die Reaktion seines älteren Bruders sehr überrascht, doch verstand er ihn natürlich auch. Nur er hatte Alex noch nie wirklich weinen sehen. Früher, als sie noch Kinder waren schon, aber noch nie in fortgeschrittenem Alter. Alex weinte, wenn er es überhaupt tat, eher für sich alleine. Nun war Nick vollkommen überwältigt, auch wenn es die Umstände nicht gerade einfach machten. Er klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter und sie setzten sich auf die Stühle, die Alex, seit er hier war, nicht ein Mal benutzt hatte.

„Hey Alex, wie geht es dir?“, fragte Nick vorsichtig.
„Na, wie soll es mir schon gehen? Aber danke, der Nachfrage. Stevie wird immer noch operiert und keiner kann mir sagen, was mit ihr ist.“
„Ich weiß, die Frage war auch nicht gerade die Beste in Anbetracht der Situation. Willst du mir erzählen, was passiert ist?“
Alex nickte leicht und erzählte Nick von den Vorkommnissen. Er erzählte ihm auch von seinen Ängsten und Sorgen. Als er sein Versprechen an Stevie erwähnte, liefen Alex wieder die Tränen über die Wangen. Er wusste, dass er es niemals einhalten konnte. Wie könnte er nicht, um die Frau weinen, der sein Herz gehörte? Wieso musste auch immer ihm so ein Unglück widerfahren? Hatte er nicht schon genug Tränen vergossen und genug gelitten als Claire starb? Was hatte er denn verbrochen? Warum konnte er nicht glücklich werden?

Alex schüttelte seinen Kopf und versuchte somit diese Fragen und Gedanken aus seinem Hirn zu verbannen. Stevie würde nicht sterben, sie war hier im Krankenhaus, in Sicherheit. Hier würde ihr geholfen. Sie würde wieder ganz gesund werden und er würde sie nie wieder aus den Augen lassen.
Nick hörte seinem Bruder aufmerksam zu und klopfte ihm immer mal wieder aufmunternd auf die Schulter.
„Sie bedeutet dir wirklich sehr viel oder?“
„Sie ist mein Ein und Alles, Nick. Ich liebe sie mehr als mein Leben und wenn sie….“, Alex stockte, er konnte und wollte es nicht aussprechen.
„Ich sterbe mit ihr, wenn sie mich verlässt. Noch ein Mal schaffe ich das nicht. Ich kann nicht noch einmal eine Frau verlieren, die ich liebe.“, sagte er mit tränenerstickter Stimme.
Nick schluckte. Er hatte damit gerechnet, dass es Alex vollkommen mitnahm, weil Stevie seine beste Freundin war, aber nicht damit, dass sein Bruder sie liebte.
„Das sind ja mal Neuigkeiten! Wieso hast du mir nicht erzählt, dass du sie liebst? Ich dachte, du wärst glücklich mit Fiona.“
„Tja, ich wusste es bis vor ein paar Stunden selbst noch nicht. Aber dafür bin ich mir nun umso sicherer, dass es so ist und ich gebe sie nicht mehr her, nie wieder. Und Fiona, ja, das ist eine Sache, die ich ganz schnell vergessen möchte. Sie hat mich die ganze Zeit belogen und wenn ich ehrlich bin, ich mich selber auch. Mit Fiona bin ich schon lange nicht mehr glücklich. Jetzt weiß ich auch, warum ich immer so gereizt war in letzter Zeit, wenn ich Fiona gesehen habe. Stevie. Sie war der Grund. Und ich Trottel, mach mir auch noch solche Vorwürfe, dass ich meine beste Freundin fast geküsst hätte.“
„Wie? Ihr habt euch fast geküsst? Wieso erzählst du mir so was nicht mehr, Alex?“
Nick war erstaunt und zugleich auch etwas enttäuscht. Hatte Argentinien ihn soweit von seinem Bruder entfernt?
„Ach komm schon Nick, bei mir haben sich die Gefühle und Gedanken überschlagen. Du bist doch jetzt nicht enttäuscht darüber, dass ich dir nichts davon erzählt habe. Du hast mich doch sonst auch immer nur ausgelacht, wenn ich dir was von meinem Liebesleben erzählt habe. Ich dachte es interessiert dich nicht.“
„Ja, aber doch nicht, wenn es dir Ernst war, dann habe ich immer hinter dir gestanden und mich nicht darüber amüsiert, wie du wieder einmal von einer Frau in die Schranken verwiesen wurdest. Außerdem hätte ich erwartet, dass du mir erzählst wie unglücklich du mit Fiona bist.“
„Nick, du hast mich alleine gelassen. Du bist nach Argentinien gegangen, hast mich allein gelassen mit der Trauer um Harry, allein bei meiner Hochzeit mit Fiona. Aber was soll es, reden wir nicht mehr über die Vergangenheit, sondern über die Zukunft. Wo hast du eigentlich Tess gelassen?“

Nick wollte gerade antworten, als sich die Tür zum OP-Bereich erneut öffnete und ein Arzt den Gang betrat. Sofort stand Alex auf und ging schnurstracks auf den Mann im weißen Kittel zu. Dem Arzt war die Anstrengung der letzten Stunden deutlich anzusehen. Er nahm sich beim Heraustreten die Schutzkappe und den Mundschutz ab und widmete sich den hoffnungsvollen Blicken und Fragen, die ihm sofort entgegen schossen.
„Doc, können Sie mir vielleicht sagen, was mit Mrs. Hall ist?“, fragte Alex den Arzt voller Hoffnung.
Nick war neben seinen Bruder getreten, legte ihm beruhigend seine Hand auf die Schulter und sah den Arzt ebenso erwartungsvoll an, wie Alex.
„Sind Sie der Mann von Mrs. Hall?“
Alex wusste nicht so recht, was er von dieser Frage halten sollte. Fragte der Arzt dies, weil er ihm sonst keine Auskunft über den Gesundheitszustand von Stevie geben durfte? Oder stellte er diese Frage, weil er keine guten Nachrichten für den Mann von Mrs. Hall hatte?
„Ja, der bin ich. Wie geht es ihr? Kann ich zu ihr? Sagen Sie doch was, Doc!“
Alex spürte, wie die Angst wieder mit voller Wucht seinen Körper in Besitz nahm.

„Wollen wir uns vielleicht setzen?“, fragte der Arzt und sah in die hoffenden Gesichter der beiden Männer. Jedes Mal wurden die Beine schwerer, wenn er nach einer Operation den Flur hinter dem OP-Raum betrat und immer wieder in gleichermaßen hoffnungsvolle Gesichter blicken musste. Es graute ihn jedes Mal von neuem davor, den Hinterbliebenen sagen zu müssen, dass sie alles versucht, es aber nicht geschafft hatten. Nicht geschafft hatten, ihre Liebsten zu retten. Manchmal hasste er seinen Job, denn er hatte geschworen Leben zu retten und nicht Leben zu zerstören.

Alex merkte, wie sich alles in ihm zusammenzog. Sein Herz fing an zu rasen, seine Atmung wurde schwerer. Wieso sollte er sich setzen? Was hatte diese Frage nur zu bedeuten?
Die beiden Brüder folgten dem Arzt und setzten sich auf die Stühle im Krankenhausflur.
„Mr. Hall, ich weiß nicht so recht, wie ich es Ihnen sagen soll. Ich habe leider keine so guten Nachrichten. Ihre Frau…“, der Arzt machte eine Pause.
„Was ist mit meiner Frau, Doc? So sagen Sie doch, was zum Teufel noch mal los ist!“
Jetzt wurde Alex langsam panisch. Er hasste diese gemeinen, fiesen Sekunden und das langsame Sprechen des Arztes machte ihn wahnsinnig. Er hasste Krankenhäuser im Allgemeinen. Sie hatten für ihn immer so etwas Unheimliches und Unerträgliches an sich.
Der Arzt setze nun wieder zum Sprechen an, obwohl es ihm auch nicht gerade leicht zu fallen schien.
„Ihre Frau hat die Operation leider nicht so gut überstanden…“
In Alex brach eine Welt zusammen. Der Arzt sprach weiter, doch Alex hörte ihn nicht mehr, seine Stimme und deren Worte waren endlos weit in die Ferne gerückt und wurden immer leiser, bis sie irgendwann gar nicht mehr wahrgenommen werden konnten. Immer und immer wieder schossen Alex diese Worte durch den Kopf: Ihre Frau hat die Operation nicht überstanden…

Alex starrte in die Leere, unfähig zu denken und zu fühlen. Man hatte ihm jegliches Leben aus dem Körper gesogen, sein Herz schien nicht mehr zu schlagen, sein Atem wurde schneller und schwerer. Seine Kehle war zugeschnürt und er schnappte nach Luft.
Alex stand auf und ging den Flur entlang, ohne irgendetwas um sich herum wahrzunehmen. Er war nicht mehr er selbst, für ihn gab es nichts mehr, für das es sich lohnen würde zu leben.
Er stieg ins Auto, startete den Motor und fuhr los. All diese Handlungen vollführte er wie in Trance. Er fuhr wie ein Irrer durch die Stadt, hinaus aufs Land. Immer wieder hatte er sie vor Augen. Die tollste, reinste und wunderschönste Frau, die, die Erde jemals gesehen hatte. Er wusste, was er zu tun hatte. Für ihn gab es nichts mehr, was ihn hätte dazu bewegen können, zu bleiben. Er fuhr nun auf einer Landstrasse, die Richtung war egal, denn sein Ziel hing weder von der Distanz noch von der Strasse ab. Sein Körper war nur noch eine Hülle, der Geist schon längst entflohen. Wie von alleine bewegte sich seine Hand an der Schaltung und sein Fuß auf dem Gaspedal. Er lenkte seinen Wagen stur geradeaus. Er würde das Lenkrad nicht bewegen, weder nach links noch nach rechts. Etwas verschwommen, konnte Alex die Konturen der Bäume erkennen, die auf ihn zugeschossen kamen. Sein Herz schlug noch ein Mal schnell und kräftig auf, sein Atem wurde schneller und sein Körper fing an zu zittern. Die Bäume kamen näher, inzwischen konnte er die Blätter in ihrer typischen Form erkennen. Er hatte jegliches Gefühl für Geschwindigkeit und Zeit verloren. Seine Füße fühlten sich an wie Blei und seine Hände krallten sich am Lenkrad fest. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, bevor sich ein schwarzer Schleier über seine Augen senkte. Ein letzter Atemzug, ein letzter Schlag seines Herzens und alles verstummte.

Ein weißer Lichtstrahl erschien vor seinem inneren Auge und er sah einen Engel, der ihm die Hand entgegenstreckte und immerzu seinen Namen rief. Seine Beine führten ihn direkt auf diesen Engel zu und er streckte ebenfalls seine Hand aus. Stevie, sie wartete schon auf ihn, sie hatte ihn erwartet und nun könnten sie auf ewig zusammen sein...
Dann plötzlich, verschwand der Engel und seine Hand griff ins Leere. Er drehte sich um, aber da war nichts mehr, nur eine tiefe schwarze Dunkelheit. Er wollte zurückgehen, wollte schreien, doch er konnte nicht. Zu stark war nun dieses weiße Licht, das ihn zu sich zog wie ein Luftwirbel, dem man nur schwer oder gar nicht entfliehen konnte…
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#107

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Chapter 7
Als Alex aufstand und das Krankenhaus verließ, schaute Nick seinem Bruder besorgt hinterher, bevor er sich dem Arzt an seiner Seite zuwandte.
„Nicht so gut überstanden? Was genau heißt das nun? Das heißt aber sie lebt, oder?“, fragte Nick mit hoffnungsvoller Stimme. Er trommelte dabei mit den Fingern auf seinen Knien herum und wartete ungeduldig auf die Antwort des Arztes.
„Naja, die kommende Nacht und der folgenden Tag sind entscheidend. Ihr Zustand ist immer noch kritisch, sie hat enorme innere Blutungen erlitten und ihre Lunge wurde leicht gequetscht. Außerdem….“
„Stopp! Doc, reden Sie nicht um den heißen Brei herum. Ich will nur wissen, ob Stevie lebt? Also, was nun? Lebt sie noch oder nicht?“
„Ähm…im Moment…schon.“
„Gut! Das ist alles, was ich in diesem Augenblick wissen muss. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss meinen Bruder finden, ehe er noch irgendwelche Dummheiten macht.“, sagte Nick beim Aufstehen und rannte hinaus auf den Parkplatz. Er konnte gerade noch sehen, wie Alex mit quietschenden Reifen und eine Staubwolke hinter sich lassend in Richtung Norden fuhr. Nick lief zu seinem Leihwagen und fuhr seinem Bruder hinterher.

Unterwegs rief er auf Drovers an, um sich zu erkundigen, ob Tess und das Baby gut angekommen waren. Außerdem konnte Nick so erstmal Entwarnung geben. Er wählte also die Nummer und hatte prompt eine aufgeregte Regan am Telefon.
„Alex? Wie geht es ihr?“
„Ähm…Regan, hier ist Nick.“
„Nick, na endlich! Wir versuchen euch schon die ganze Zeit zu erreichen. Es gab einen Unfall und…“
„Stopp! Warte! Ich bin in Melbourne. Ich weiß das von Stevie. Ist Tess schon bei euch?“
„Wie du bist in Melbourne? Tess soll hier bei uns auf Drovers sein? Woher wisst ihr denn von der Sache?“
„Dave.“, antwortete Nick knapp.
„Also nun sag schon Regan, ist Tess mit dem Baby schon da?“
„Nein. Ähm ... warte, ich glaube, sie kommt gerade an.“
„Gut. Ich wollte nur wissen, ob sie schon da ist. Ich muss jetzt wieder zu Alex. Also macht euch keine Gedanken. Stevie ist…also…sie lebt.“
„Was? Mehr kannst du nicht sagen? Was für eine seltsame Aussage. Natürlich lebt Stevie! Aber ok. Ich sag den anderen Bescheid. Können wir Stevie denn besuchen?“
„Besser nicht! Der Arzt meinte, dass Stevie sehr viel Ruhe braucht. Nicht einmal Alex darf zu ihr.“, log Nick.

Er brachte es einfach nicht übers Herz den Mädels die ganze Wahrheit zu offenbaren. Außerdem wollte er vor allen Dingen Tess und das Baby nicht noch zusätzlich aufregen. Im nächsten Moment dachte Nick jedoch, dass, wenn er die ganze Sache im Nachhinein erklären müsste, es wohl nicht gerade hilfreich war, wenn er jetzt nicht die Wahrheit sagte. Um die ganze Situation nicht noch schlimmer zu machen, versuchte Nick das Gespräch so schnell wie möglich zu beenden. Außerdem musste er sich voll und ganz auf den Verkehr konzentrieren. Alex fuhr viel zu schnell und Nick durfte ihn nicht verlieren. Sein Gefühl sagte ihm, dass sein Bruder etwas Schlimmes anstellen würde.

„Also ich muss dann! Grüß die Anderen von mir. Ich ruf später noch mal an. Bye.“
Nick beendete das Gespräch und seine Gedanken konzentrierten sich jetzt wieder voll auf Alex. Dieser raste inzwischen wie ein Verrückter durch die Strassen von Melbourne.
„Mensch, Alex, bleib doch stehen! Wenn man ein Mal eine rote Ampel benötigt, dann kommt keine. Kannst du sie allerdings nicht gebrauchen, stehst du an jeder gottverdammten Ampel!“, fluchte Nick und schlug mit seinem Handballen gegen das Lenkrad.

Je weiter die beiden Autos aus der Stadt fuhren, desto mulmiger wurde es Nick im Bauch. Er hatte ein wirklich ungutes Gefühl. Alex würde doch nicht… Nein! Niemals! Nick wagte es nicht diesen Gedanken zu Ende zu führen. Allerdings, Alex plötzliches Aufbrechen, nachdem der Arzt meinte: Ihre Frau hat die Operation leider nicht ganz so gut überstanden, zeigte eindeutig, dass er dem Arzt nicht richtig zugehört hatte. In solchen Situationen war es dann typisch für seinen Bruder, dass sich dieser ohne zu überlegen in Gefahr brachte. Es wäre ja schließlich nicht das erste Mal. In Nick stieg Panik auf. Was, wenn sein Bruder nun eine Dummheit begehen würde?

In diesem Augenblick war Nick froh, dass Dave ihn und Tess angerufen hatte. So war er wenigstens hier, um Alex von dieser Dummheit abzuhalten. Welch ein Zufall, welch ein Wink des Himmels war es gewesen, dass die kleine Familie sowieso auf dem Weg nach Drovers gewesen war. Tess hatte mal wieder eine Eingebung gehabt, die Richtige, wie sich nun herausstellte. Seine Frau hatte ihn dazu überredet nach Drovers zurück zu kehren und Stevie so gut es ging beizustehen. Welch ein Glück war es, dass sie nicht allzu weit von Melbourne gewesen waren, als sie Dave´s Anruf erreichte. Nick hatte sofort den nächsten Flieger nach Melbourne genommen. Tess hatte er nach langem Hin und Her dazu bewegen können, nach Drovers zu fahren und sich so von den Strapazen des langen Fluges zu erholen. Er hatte seiner Frau versprechen müssen, sie sofort anzurufen, wenn er im Krankenhaus ankam und ihr über Stevies Zustand zu berichten. Er atmete tief ein und wieder aus. Dass Tess nicht sofort mit ins Krankenhaus gefahren war, war das einzige Positive an der jetzigen Situation. So musste er sich nicht auch noch um sie und das Baby sorgen. Schließlich würde es Niemandem etwas nützen, wenn seiner Familie auch noch etwas zustoßen würde.

In der Zwischenzeit hatte Alex die Stadtgrenze erreicht und fuhr auf irgendeiner Landstrasse in irgendeine Richtung. Die Angst in Nick´s Innerem wurde immer größer. Er sah nun die Silhouetten der Bäume direkt auf Alex´ Wagen zukommen.
„Du Idiot, was zum Teufel hast du nur vor?“, schrie er vor sich hin.
Nick konnte nun das Gefühl nicht mehr unterdrücken, dass bald etwas Schlimmes passieren würde.
Was wäre nun das Richtige? Sollte Nick es einfach passieren lassen, um sich nicht selbst auch noch in Gefahr zu bringen oder sollte er sich vor seinen Bruder drängen und sich der Gefahr und somit dem Schicksal stellen?
Das Nächste was Nick wahrnahm, war ein lauter Knall. Zu spät! Es war passiert! Mit quietschenden Reifen, welche sofort einen beißenden Gestank von verbranntem Gummi mit sich zogen, brachte er sein Auto zum Stehen. Nick stürmte hinaus und stolperte fast über seine eigenen Füße. Zielgerichtet bewegte er sich direkt und schnellen Schrittes auf das Auto zu. Dieses war soeben gegen einen der mächtigen Bäume, die beängstigend, majestätisch ihre Kronen in den Himmel strecken, gerast. Panisch zog Nick seinen Bruder aus dem Auto und schleifte ihn ein paar Meter von der Unfallstelle weg. Er kniete sich nun direkt neben Alex und schrie ihn an.
„Wie kannst du es wagen so einen Mist zu bauen? Stirb jetzt nur nicht, du verdammter egoistischer Blödmann!“, schrie Nick panisch.
Er war außer sich, wie konnte sein Bruder nur so einen Bockmist bauen? Wieso hatte er dem Arzt nicht einfach zugehört, richtig zugehört?
Gut, der Arzt hatte nicht sonderlich gute Nachrichten, aber es waren auch nicht die Schlechtesten gewesen. Immerhin bestand die Hoffnung, dass Stevie es schaffen würde! Aber Alex hatte in seiner Panik einfach den falschen Schluss gezogen. Das war schon immer so gewesen, wenn es um Stevie ging. Wenn sich die beiden wieder einmal gestritten hatten, hatte Alex immer bei Nick angerufen und Stevie bei Tess. So hatten sie den Streit immer aus zwei verschiedenen Gesichtspunkten aufgezeigt bekommen. Und meistens war es so gewesen, dass einer der Beiden den Anderen falsch verstanden hatte.
Verdammt, eigentlich hätte es ihm schon viel früher auffallen sollen, dass Alex mehr für Stevie empfand, als nur reine Freundschaft. Bei ihm und Tess war die Situation damals doch ähnlich gewesen.
Und nun? Nun lag Alex bewusstlos auf dem Boden und regte sich nicht mehr. Nick wusste nicht, ob er wütend, traurig oder sauer sein sollte. Immer wieder rief er den Namen seines Bruders und verfluchte ihn, weil dieser nicht reagierte. Nick war am Ende. Er konnte nicht mehr.
Der Krankenwagen, den er kurz nach dem Unfall benachrichtigt hatte, kam gerade an. Die Sanitäter machten einen Kreis um Alex und einer von Ihnen nahm Nick am Arm und führte ihn von der Unfallstelle weg. So sehr dieser auch versuchte einen Blick auf Alex zu erhaschen, er konnte nichts erkennen. Sie legten seinen Bruder auf eine Trage und brachten ihn in den Notarztwagen. Nun bekam Nick gar nichts mehr mit, was mit seinem Bruder passierte. Dann, plötzlich trat der Arzt aus dem Krankenwagen und sah Nick mit einem mitleidigen Blick an.
„Wir haben getan, was wir konnten. Doch es war leider zu spät!“, sagte der Arzt mit einer bedrückten Miene im Gesicht.
In Nick brach eine Welt zusammen. Sein Bruder, seine Familie...
Das durfte nicht wahr sein! Alex war sein bester Freund, der Mensch mit dem er reden konnte, wenn ihn was bedrückte, was sollte er jetzt bloß tun? Wie sollte er das denn Tess und den Mädels beibringen? Vor allem, wie sollte er dies Stevie jemals erklären? Durch Tess hatte Nick mitbekommen, wie sehr Stevie gelitten hatte, wenn es Alex schlecht ging oder als sein Bruder mit Fiona aus der Stadt zurückkehrte. Er wusste, sie würde daran zugrunde gehen, wenn sie erfuhr, dass Alex einen Unfall gebaut hatte und an den Folgen gestorben war. Er würde es nicht übers Herz bringen ihr das zu sagen. Stevie würde mit Alex sterben…

So, meine Lieben! Genau so hätte es ablaufen können, aber nun dürft ihr die Review-Taste drücken und zurückspulen…

Nick wollte gerade antworten, als sich die Tür zum OP-Bereich wieder öffnete und ein Arzt hinaus trat. Sofort stand Alex wieder auf und ging schnurstracks auf den Mann im weißen Kittel zu. Der Arzt sah sichtlich geschafft aus. Er nahm sich beim Heraustreten die Schutzkappe und den Mundschutz ab und widmete sich den hoffnungsvollen Blicken und Fragen, die ihm sofort entgegen kamen.
„Doc, können Sie mir vielleicht sagen, was mit Mrs. Hall ist?“, fragt Alex den Arzt mit einem hoffenden Blick.
Nick war neben seinen Bruder getreten, legte ihm beruhigend seine Hand auf die Schulter und sah den Arzt ebenso erwartungsvoll an, wie Alex.
„Sind Sie der Mann von Mrs. Hall?“
Alex wusste nicht so recht, was er von dieser Frage halten soll. Fragte der Arzt weil er diese Frage stellen musste und niemandem außer dem Ehemann Auskunft geben würde oder stellte er diese Frage, weil er keine guten Nachrichten für den Mann von Mrs. Hall hatte?
„Ja, der bin ich. Wie geht es ihr? Kann ich zu ihr? Sagen Sie doch was, Doc!“
Alex spürte, wie die Angst wieder die Vorherrschaft in seinem Körper übernahm.
„Wollen wir uns vielleicht setzen?“, fragte der Arzt und sah in die angstvollen Gesichter der beiden Männer. Jedes Mal wurden die Beine schwerer, wenn er nach einer Operation den Flur hinter dem Operationssaal betrat und immer wieder in gleichermaßen hoffnungsvolle Gesichter blicken musste. Es graute ihn jedes Mal von Neuem davor, den Hinterbliebenen sagen zu müssen, das sie alles versucht hatten, aber es nicht geschafft hatten zu retten, was zu retten sein sollte. Manchmal hasste er seinen Job, denn er hatte geschworen Leben zu retten und nicht Leben zu zerstören.
Alex merkte, wie sich alles in ihm zusammenzog. Sein Herz fing an zu rasen, seine Atmung wurde schwerer. Wieso sollte er sich setzen? Was hatte diese Frage nur zu bedeuten?
Alex und Nick folgten dem Arzt und setzten sich.
„Ihre Frau hat schwere innere Verletzungen erlitten. Wir konnten die Blutungen stoppen aber es sieht noch nicht so gut aus, dass man sagen kann, sie hätte es geschafft. Wir müssen jetzt abwarten und sehen, was die kommende Nacht und der nächste Tag bringen werden.“, erklärte der Arzt und sah dabei Alex mitfühlend an.
Alex vernahm alles und nickte, auch wenn er nicht ganz begriff, was der Arzt ihm sagen wollte.
„Kann ich zu ihr?“
Der Arzt nickte und erhob sich.

Alex stand, mit einem Blick auf seinen Bruder, ebenfalls auf und folgte dem Arzt über den langen, kalten Gang auf die Intensivstation. Er betrat einen Raum, in dem er sich einen Kittel über den Körper und über die Schuhe weiße Schutzhüllen ziehen musste. Mit einer Schutzkappe auf dem Kopf ging er durch die Schleuse und betrat die Intensivstation des Krankenhauses. Überall hörte er diese eindringlichen Pieptöne der Überwachungsmonitore, die den Puls, Blutdruck, Körpertemperatur und noch viele andere Vitalwerte überwachten. Alex hasste Krankenhäuser, aber das, was er nun zu sehen und zu hören bekam, ließ ihn erschaudern. Wie in einem schlechten Film ging er über den noch kälter wirkenden Flur der Station. Links und rechts waren die Zimmer nur durch Glaswände von dem Flur getrennt und überall diese schrecklichen Töne. Ihm kam der Gang endlos vor. Endlich blieb der Arzt vor einem dieser Glaskabinen stehen und Alex hatte Angst hinein zu schauen. Als er das Zimmer betrat, stockte ihm der Atem. So viele Geräte und Töne wirkten auf ihn ein, dass die Panik wie eine Welle seinen Körper überflutete. Er blieb einen Moment lang stehen atmete tief ein, ging anschließend auf das Bett zu und setzte sich auf den Stuhl, der daneben stand.
Er war hart und unbequem, aber dort würde er wohl die nächsten Stunden seines Lebens verbringen, das wusste er genau. Denn er würde nicht eher wieder gehen, bis sie ihre Augen wieder öffnete. Der Arzt hatte sich mittlerweile zurückgezogen und Alex rückte mit dem Stuhl näher an Stevie heran. Er nahm ihre Hand und drückte sie fest. Lange saß er da, weinte und sprach mit ihr, bis er vor Erschöpfung seine Augen schloss und immer noch Stevies Hand haltend, einschlief.
Am nächsten Morgen wachte Alex durch einen Druck, den er an seiner Hand verspürte, auf. Er musste sich erst an den neuen Zustand, den seine Augen sahen, gewöhnen. Als er realisierte, was seine Augen da wahrnahmen, kamen ihm die Tränen der Freude, so überwältigte ihn der Anblick. Noch nie hatte er seinen Emotionen einen solch freien Lauf gelassen, wie in diesem Moment und in den darauf folgenden Jahren…

Einige Jahre später

Alex sah mit einem zärtlichen Lächeln auf die schlafende Frau neben ihm und schloss für einen Moment die Augen. Er war unbeschreiblich glücklich, sie dauernd in seiner Nähe zu wissen. Es war wunderbar zu wissen, dass sie sich liebten. Doch war es nicht einfach nur eine Liebe, wie man sie sonst erlebte. Nein, es war etwas ganz Besonderes, eine ganz besondere Liebe, da sie auch seine beste Freundin war. Er konnte mit ihr über alles reden, konnte immer auf sie zählen. Alex war froh darüber, dass sie sich damals nach dem ersten Kuss dazu entschlossen hatten, vorerst nur Freunde zu bleiben. Denn so konnte ihre Liebe wachsen und gedeihen. Wieder blickte er auf die schlafende Frau hinunter. Leicht strich er ihr mit einem Finger über ihre weiche Haut und sofort schmiegte sie ihre Wange in seine Hand. Er legte seinen Kopf auf das Kissen, zog sie noch näher an sich heran und schloss seine Augen.
Stevie... sie war seine große Liebe für immer und ewig. Mit diesem Gedanken im Kopf glitt er ins Land der Träume....
~~~ The End ~~~
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