Hauptcharaktere: Stevie/Fiona
Inhalt: Verdrehte Welt Drovers Run! Was wäre wenn Killarney den Mcleods gehört und Drovers Run den Ryans? Aber damit es nicht zu „langweilig“ wird, sollten die Freundschaften, Pairings ebenfalls anders als üblich sein.
Anmerkung: Ein Beitrag im Rahmen einer Challenge im McLeods Töchter-Forum
Spoiler: Nein
Chapter: 1
Geschrieben: August 2008
Disclaimer: Alle MLD Charaktere sind Eigentum von Nine Network, The South Australien Film Corporation and Millenium Television. Diese Fanfic wurde lediglich zum Spaß geschrieben und nicht um damit Geld zu verdienen. Jegliche Ähnlichkeiten zu Lebenden und Toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors.
.::. I'm Not Living This Life .::.
„Dad, endlich gibt es neue Nachbarn auf Drovers Run. Sie scheinen ganz nett zu sein. Wir haben uns gedacht, dass wir sie mal zum Barbecue einladen. Meinst du, dass du es schaffst morgen wieder zurück zu sein?“
Die kleine Blonde mit den blau-grünen Knopfaugen freute sich jedes Mal, wenn sie mit ihrem Vater telefonieren konnte. Jodi war gerade 15 Jahre alt geworden und war noch nie solange von ihrem Dad getrennt gewesen. Ein Jahr war es nun schon her, seit ihre Mum die Familie verlassen hatte. Gut, Jodi hatte noch ihre beiden großen Schwestern um sich herum, doch, wenn ihr Dad weg war, vermisste sie ihn sehr. Jack McLeod war ein sehr angesehener Farmer in der Gegend. Er hatte sein ganzes Leben schwer gearbeitet, um sich jetzt in seinem Erfolg sonnen zu können. Dabei war es noch gar nicht so lange her, seit er den Durchbruch geschafft hatte. Es war ein schwerer Schlag für die McLeods gewesen, als vor einem Jahr die Hausherrin von Killarney das Weite suchte. Von heute auf morgen hatte sie die Farm in einer Nacht- und Nebelaktion verlassen. Sie kam mit ihrem Leben nicht mehr zu recht. Ihre drei Töchter hatten schwer damit zu kämpfen gehabt, ganz besonders die kleine Jodi. Die beiden größeren Schwestern Tess und Claire dagegen waren eher wütend, als traurig, dass ihre Mutter sie verlassen hatte. Ganz besonders die Ältere der drei McLeods-Mädels, Claire.
Jack McLeod sorgte sich nicht so sehr um seine drei Töchter, sondern eher um die junge Dame, die seit einigen Jahren bei Ihnen wohnte. Jack und Prue hatten vor ein paar Jahren Claire´s Schulfreundin Stevie bei sich aufgenommen, da sie von ihren Eltern verstoßen worden war. Die Gründe dafür kannte nur Prue und nie sprach sie mit jemandem darüber, das hatte sie dem kleinen Mädchen damals versprochen, als sie im Hause McLeod aufgenommen wurde. Jack und seine drei Töchter bemerkten früh, wie stark die Bindung zwischen Prue und dem manchmal etwas unbändigem roten Teufel war. Jack nannte Stevie, in Situationen, in denen sie ihn zur Weißglut brachte, gerne so.
Seit Jack von seiner Frau verlassen wurde, war Stevie nicht mehr die stets gutgelaunte junge Frau. Sie zog sich immer mehr in ihr kleines Schneckenhaus zurück und igelte sich ein. Sie arbeitete zwar nach wie vor hervorragend und sehr hart, aber sie sprach mit keinem Menschen mehr. Dennoch war Jack sich sicher, dass er seine drei kleinen Engel und den roten Teufel alleine lassen konnte, denn er wusste, wenn es darauf ankam, dass jede Einzelne von den vier Frauen auf Killarney viel Verantwortung übernehmen konnte. Er wusste, dass die Farm auch ohne seine Anwesenheit laufen würde. Denn diese Reise nach Kanada war dringend nötig gewesen. Schließlich musste er Abnehmer für seine Zuchthengste finden und dies tat er nun schon seit einer Woche.
„Jodi, wo steckst du denn?“
Tess war auf der Suche nach ihrer kleinen Schwester, denn sie wollten ja schließlich ihre neuen Nachbarn kennen lernen.
„Jodi hast du etwa schon wieder mit Dad telefoniert?“
„Aber ja, ich musste ihm doch die Neuigkeiten übermitteln. Aber er hat gesagt, dass er Morgen noch nicht zu Hause sein wird.“
Jodi wurde wieder ein wenig traurig. Sie hatte so sehr gehofft, dass ihr Dad wieder zurückkam.
„Ach Jodi, Dad ist doch gerade mal eine Woche fort. So schnell geht das nicht. Außerdem, selbst wenn er schon nach Hause kommen würde, er würde es doch gar nicht bis Morgen schaffen. Was lernst du eigentlich, wenn Dr. Snyder da ist?“
„Bla bla bla, ich weiß sehr wohl wie weit weg Kanada ist.“, zischte das kleine blonde Mädchen ihrer Schwester entgegen und verdrehte dabei gekonnt genervt ihre Augen.
„Na fein, können wir dann fahren?“
„Hm...was ist mit Claire und Stevie?“
Jodi hing sehr an der Freundin von Claire. Meist war sie in ihrer Nähe zu finden, wenn sie nicht gerade am Telefon hing und mit ihrem Dad telefonierte. Anfangs hatte Jack noch gehofft, dass die kleine Jodi Stevie wieder zum reden bewegen könnte, aber dem war weit gefehlt. Stevie konnte sich nicht überwinden wieder zu sprechen. Selbst die Ärzte waren machtlos dagegen. Das alles schien ein seelisches Problem zu sein. Zu einem Psychologen war Stevie nun überhaupt nicht zu kriegen. Jack konnte schon froh darüber sein, dass sie überhaupt mit ihm zum Arzt ging. Stevie hasste Ärzte und alles was dazu gehörte, seit sie klein war. Vor Jahren musste ihre Oma am Blinddarm operiert werden, doch statt dass sie danach gesund wurde, verlor sie bei der Operation ihr Leben. Man hatte nicht genug Tests gemacht und somit nicht festgestellt, dass sie eine Allergie gegen das Narkosemittel gehabt hatte.
„Stevie wird nicht mitkommen, sie hat sich schon in ihr Reich verzogen und liest und Claire trifft uns auf Drovers, weil sie vorher noch etwas zu erledigen hat. Also komm schon Jode, wir fahren alleine.“
Tess trieb den blonden Lockenkopf zur Eile an und gemeinsam gingen sie zum Pick-Up.
Auf Drovers angekommen, trafen sie sogleich auf die Hausherrin, die gerade dabei war, ihrem Gärtner zu erklären, was dieser in nächster Zeit zu tun hatte. Liz war eine stattliche blonde Frau Anfang 40 und hatte zwei Söhne, sowie eine Tochter. Ihr Mann Harry, mit dem sie noch verheiratet war, gondelte irgendwo in der Weltgeschichte herum und scherte sich einen Dreck um seine vier Kinder. Vor Jahren hatte Harry ein Verhältnis gehabt und hatte dann Fiona zu sich geholt. Zwischen Liz und Harry gab es mächtig Ärger und Liz hatte ihm das bis zum heutigen Tage nie verziehen. Dennoch gestand sie sich selber ein, dass das kleine Mädchen nicht das Geringste für ihren Vater konnte.
Liz sah die beiden Mädchen auf der Veranda stehen und beendete das Gespräch mit ihrem Gärtner.
„Guten Abend. Ihr seid bestimmt die McLeod Schwestern. Ich dachte es sind drei.“, begrüßte Liz die jungen Frauen.
„Jap genau, die sind wir. Ähm…Claire unsere älteste Schwester wollte eigentlich schon hier sein, ihr wird wohl etwas dazwischen gekommen sein.“
„Oh, das ist aber schade. Aber kommt, setzt euch doch, möchtet ihr vielleicht etwas trinken?“
„Nein, vielen Dank. Wir wollten uns nur noch einmal vergewissern, dass alles in Ordnung geht morgen mit dem Barbecue.“
„Ich dachte euer Vater ist nicht im Land.“
„Schon, aber wir kümmern uns selbst um die Farm und da gehört das Willkommenheißen der neuen Nachbarn eben auch dazu. Wir bestehen also darauf, Sie zum Barbecue einzuladen.“
„Ihr seid sehr erwachsen. Manchmal wünschte ich mir, meine Söhne wären auch so. Die Einzige, die mir sehr unter die Arme greift ist meine Tochter Fiona.“
„Wow, zwei Söhne und eine Tochter, das ist bestimmt anstrengend.“
„Ach was! Sie sind ja alle nicht mehr im Kindesalter“, lachte Liz belustigt.
Sie war froh, dass ihre Kinder schon erwachsen genug waren, um auf sich selbst aufzupassen und nicht den ganzen Tag bemuttert werden mussten. Alex, der Älteste, war 20 Jahre, Nick gerade 19 Jahre geworden und Fiona war 18 Jahre, eben im gleichen Alter wie Stevie.
„Na dann, wir müssen auch schon wieder los. Wir sehen Sie also morgen so gegen 18 Uhr, einverstanden?“, holte sich Tess noch einmal die Bestätigung und erhob sich von ihrem Stuhl.
„Sechs ist vollkommen in Ordnung“, antwortete Liz freundlich und begleitete die beiden Schwestern zu ihrem Auto.
Bevor Tess und Jodi sich auf den Weg zurück nach Killarney machten, erlaubten sie der netten Nachbarin, ihre Kinder selbstverständlich zu dem Barbecue mitzubringen.
Zurück auf Killarney wartete Anna schon mit dem Abendessen auf die Beiden. Anna, eine Frau von Mitte dreißig, war während der Abwesenheit von Jack die einzige Bezugsperson der Mädchen im Haus. Sie war Haushälterin und Kindermädchen zugleich. Für Jodi war sie, seit ihre Mum vor einem Jahr das Weite suchte, die wichtigste Ansprechperson geworden. Stevie war wieder Erwarten auch im Esszimmer und wollte mit den McLeod Schwestern heute zu Abendessen. Wahrscheinlich trieb sie die Neugierde über die Berichterstattung dazu, mit ihnen das Abendessen zu teilen. Tess und Jodi erzählten Stevie und Claire alles haargenau. Zwischendurch konnte man Stevie sogar ein wenig schmunzeln sehen.
Am nächsten Morgen war Stevie schon früh wach, früher als sonst. Denn es war eine Schafherde zusammen zu treiben, da am Nachmittag der Truck kam, um die Herde abzuholen. Wieder zurück fütterte sie noch die Pferde und sah eben nach Jacks neustem Projekt. Die beiden Schweine, die Jack gekauft hatte, um zu testen wie sich eine Schweinezucht in Australien machte, grunzten vollkommen zufrieden vor sich hin. Stevie hatte an den beiden Tieren Gefallen gefunden. Sie waren irgendwie wie Dick und Doof. Etwas belustigt stand Stevie noch einen Moment da und sah den Beiden amüsiert zu, ehe sie ins Haus ging und beschloss das Frühstück zu machen. Früher hatte sie das oft getan, sie war immer die Erste, die im Hause McLeod wach war und hatte jeden Morgen den Frühstückstisch gedeckt. Das und viele andere Sachen, waren in letzter Zeit eher eine Seltenheit geworden. Stevie war zwar noch immer die Erste, die auf den Beinen war, aber sie hatte jegliche Lust verloren, die Gewohnheiten beizubehalten. Alles erinnerte sie zu sehr daran, wie es war, als Prue noch bei ihnen war.
Tess, die wenig später aus dem Bad kam, ging direkt in das Zimmer ihrer kleinen Schwester und weckte diese auf. Dann begann auch schon das morgendliche Prozedere, denn die kleine Jodi war einfach nicht aus dem Bett zu bekommen. Aber sie musste eben wie alle Anderen genauso früh aufstehen. Denn jeden Tag kam um Punkt neun Uhr ihr Lehrer Dr. Snyder, von dem sie täglich bis Mittags unterrichtet wurde. Jodi mochte die Schule ganz und gar nicht, aber ihr Dad hatte es für wichtig empfunden, dass seine Töchter auf jeden Fall Unterricht bekamen und hatte somit einen Privatlehrer engagiert. Bei Dr. Snyder hatten auch schon Claire und Tess, sowie Stevie ihr Wissen zeigen müssen. Stevie hatte ihren Schulabschluss mit Auszeichnung bestanden und wollte ursprünglich auf die Universität gehen, um Jura zu studieren. Doch als Prue die Familie im Stich ließ, verlor sie die Lust daran. Jack hatte darauf bestanden, dass Stevie auf die Uni ging. Er wollte nicht, dass sie sich ihre Zukunft verbaut und sich alles in ihrem Leben nach der Farm richtete, doch sie wollte ihn nicht allein mit der Farm lassen. Tess und Claire hatten sich zu einem Fernlehrgang angemeldet und die Praxis hatten sie auf der Farm selbst zu genüge.
Als Tess die Treppe hinunter kam, stieg ihr schon der angenehme Geruch von Kaffee und frisch gebackenen Brötchen in die Nase. Sie freute sich auf das Frühstück, denn es hatte schon lange keine Brötchen am Morgen mehr gegeben. Genau genommen, schon seit über einem Jahr nicht mehr. Sie konnte ihren Augen kaum trauen, denn in der Küche fand sie nicht, wie gewohnt Anna vor, sondern ihre Stevie.
Einen kleinen Moment stand Tess noch in der Tür, beobachtete Stevie und erfreute sich an dem so ungewohnten Anblick, der sich ihr bot. Stevie bemerkte Tess und lächelte sie freudig an. Tess dagegen standen Tränen in den Augen. Es war einfach ein überwältigender Moment. Nicht nur, dass Stevie seit über einem Jahr wieder Frühstück für alle machte, nein die Rothaarige lächelte und das war einfach das Größte! Tess konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie Stevie das letzte Mal hatte lächeln sehen. Stevie sah zufrieden und glücklich aus und eben genau das rührte die blonde junge Frau zu Tränen.
Stevie stand noch immer da und lächelte. Tess konnte nicht anders, sie ging direkt auf sie zu und nahm sie fest in den Arm. Irgendetwas war geschehen, irgendetwas hatte sich verändert, irgendetwas hatte Stevie verändert. Das blonde Mädchen gab ihr einen Kuss auf die Wange und setzte sich glücklich an den Tisch. Auf jedem der Teller lag ein Zettel. Verwundert nahm Tess den Zettel von ihrem Teller und faltete ihn auseinander. Aufmerksam las sie, die liebevoll auf das Papier gebrachten Worte. Es war eindeutig die Handschrift von Stevie, sie hätte diese unter tausenden von Handschriften erkannt. Stevie hatte eine schöne Handschrift, sie hatte etwas Weiches und Geschwungenes an sich.
Stevie hatte Tess aufgeschrieben, dass sie es an der Zeit fand wieder die alten Gewohnheiten aufzugreifen und das Frühstück war der Anfang. Seit Stevie kein Wort mehr sprach, kommunizierten die McLeods mit ihr nur noch über kleine Zettelchen, wenn überhaupt. Stevie hatte sich immer mehr zurückgezogen und hatte mit Niemandem sonderlich viel Kontakt gehegt.
„Stevie, ich freue mich so! Geht es dir gut? Willst du mir erzählen, was dich so glücklich macht?“, fragte Tess, nachdem sie den Zettel wieder zur Seite gepackt hatte.
Stevie zuckte nur mit den Schultern. Sie gab Tess somit zu verstehen, dass es nichts zu erzählen gab.
„Na gut, aber wenn du mal darüber sprechen möchtest, dann trau dich einfach. Ich bin immer da für dich, ok?“
Stevie nickte heftig, nahm die Kaffeekanne und goss ihnen Kaffee ein. Für Jodi gab es Kakao. Stevie wusste, dass Jodi dies liebte.
Nach dem Frühstück bekam Jodi ihren Unterricht und Tess, Claire und Stevie erledigten die üblich anfallenden Arbeiten auf der Farm.
Pünktlich zur verabredeten Zeit fuhr das Auto von Drovers vor und die Ryans stiegen aus. Alle wurden freundlich begrüßt und Liz staunte noch viel mehr als am Tag zuvor, wie erwachsen doch die McLeod-Schwestern waren. Sie stellte ihre Söhne und ihre Tochter vor und fragte sogleich nach der Ältesten der McLeods, da sie diese ja am Tag zuvor noch nicht kennen lernen durfte. Tess wollte ihre ältere Schwester eben entschuldigen, als diese direkt auf die Gäste zukam. Stevie dagegen ließ sich wie üblich viel Zeit, wenn sie Glück hatten, würde sie noch zu ihnen stoßen. Aber Tess und Claire machten Liz nicht sehr viel Hoffnung, denn Stevie mied solche Zusammentreffen gerne. Liz und Fiona wurden herumgeführt und die beiden Jungs sahen sich selbst ein wenig um.
„Die kleine Blonde war es nicht, oder? Nein, sicher nicht, sonst hätte man gemerkt, dass ihr euch schon kennt.“
Nick hatte von seinem Bruder erfahren, dass er bei seinem morgendlichen Ausritt ein Mädchen getroffen hatte. Dieses Mädchen hatte bei dem Sunnyboy doch einen erstaunlichen Eindruck hinterlassen und das, obwohl sie kein einziges Wort miteinander gewechselt hatten.
Alex sah seinen Bruder mit einem strafenden Blick an.
„Nein, ganz sicher war sie das nicht. Sie ist absolut nicht mein Typ. Außerdem stehe ich nicht so auf kleine Kinder. Sie scheint eher was für dich zu sein“, neckte Alex seinen Bruder und grinste diesen dabei frech an.
„Ach was. So jung sah die Kleine nun auch wieder nicht aus, aber du hast Recht, ich finde sie tatsächlich irgendwie niedlich.“
„Ha, hab ich es mir doch gedacht. Wow, sieh dir das mal an, die haben hier sogar einen eigenen Tennisplatz.“
Alex ging direkt auf den Platz zu und betrat diesen aufgeregt. Er liebte das Tennisspiel sehr und verpasste nicht ein Spiel im Fernsehen. Nick belächelte seinen Bruder immer, er konnte nicht verstehen, wie man nur so vernarrt in diese langweilige Sportart sein konnte.
„Sag mal Alex, bist du dir sicher, dass das Mädchen von heute Morgen tatsächlich existiert oder hast du dir das alles nur eingebildet. Ich meine, immerhin war es eine für dich vollkommen untypische Zeit gewesen, kann ja sein, dass du geträumt hast.“
„Sehr witzig Alter! Ich weiß genau, was meine Augen gesehen haben. Aber ich bin mir doch selbst nicht sicher, ob sie zu den McLeods gehört. Wir haben uns nicht vorgestellt.“
„Ach ja richtig. Das war das nächste Untypische für dich! Normalerweise verschwendest du doch auch keine Zeit, wenn es um ein Mädchen geht.“
„Schon, aber sie war irgendwie anders, wenn du verstehst was ich meine.“
Alex wurde von seiner Mum unterbrochen, die die Jungs rief.
„Alex, Nick, kommt ihr dann bitte, wir wollen essen.“
„Ja Mum, wir sind schon auf dem Weg. Das heißt, wenn Alex sich von dem Tennisplatz los reißen kann.“
„Ja ja schon gut, gehen wir, sonst bekommt Mum wieder einen ihrer Anfälle.“
Es war ein herzliches Beisammensein der beiden Familien. Alle lachten viel und unterhielten sich prächtig. Jodi erzählte Liz alles Mögliche von ihrem Dad und auch von Stevie. Als Jodi von Stevie erzählte hörte die ältere Frau ganz besonders interessiert zu, denn das Schicksal und seine Folgen der jungen Frau berührten Liz sehr. Tess, die sich die ganze Zeit über angeregt mit Nick und ab und zu auch mit Alex über Gott und die Welt unterhielt, erzählte Liz, was sich am Morgen zugetragen hatte. Die ältere Frau war sehr gerührt, obwohl sie Stevie noch nie gesehen hatte, wusste sie, dass sie das Mädchen sofort ins Herz schließen würde. Liz hatte schon immer Mitgefühl für schlimme Schicksalsschläge gehabt und verspürte immer den Drang irgendwie zu helfen. Sie bewunderte die kleine Jodi, wie sie mit der ganzen Situation umging. Es war nicht zu übersehen, dass Jodi noch mehr an ihrem Dad hing als die beiden älteren Mädchen.
Fiona hatte sich von der lustigen Gesellschaft abgeseilt und spazierte ein wenig im Garten herum. Sie kam zu einem Baum, den sie von weitem schon gut erkennen konnte, denn neben diesem Baum loderte ein Feuer. Fiona entdeckte eine Gestalt, die direkt unter diesen Baum saß und gedankenverloren in das Feuer sah. Sie ging direkt auf diese Gestalt zu und stellte sich vor. Das Mädchen sah kurz auf und lächelte ein wenig. Fiona war verwundert, sagte jedoch nichts weiter dazu. Normalerweise schloss sie schnell Freundschaften, aber dieses Mädchen machte nicht geringste Anstalten sich mit ihr zu unterhalten. Frech setze sich Fiona neben sie und starrte ebenfalls ins Feuer, welches majestätisch seine Flamen in den Himmel streckte. Sie sah, wie die Glühwürmchen umhertanzten und musste schmunzeln.
„Siehst du dir auch so gern die Glühwürmchen an? Ich schon. Es ist witzig, wie toll die tanzen können. Früher, als ich noch kleiner war, da wünschte ich mir immer, genau wie die Glühwürmchen tanzen zu können“, versuchte Fiona mit dem Mädchen ein Gespräch zu beginnen, doch dieses nickte nur ohne aufzusehen und starrte weiterhin gedankenverloren in das Feuer.
„Du bist bestimmt Stevie, oder? Ich bin Fiona. Wir sind Nachbarn.“, stellte sich Fiona vor und streckte Stevie die Hand entgegen.
Nun sah Stevie sie wieder an und lächelte ein wenig, sie gab ihr ebenfalls die Hand.
„Du redest nicht gern, oder? Kann ich verstehen, manchmal hab ich auch absolut keine Lust etwas zu sagen. Vor allem dann, wenn Mum mich zur Weißglut bringt und ich nicht die gleichen Freiheiten genießen darf, wie meine beiden älteren Brüder.“, erzählte Fiona und sah wieder in das Feuer.
Stevie lächelte noch immer die junge Frau neben sich an und wollte etwas sagen, doch die Worte wollten einfach nicht ihren Mund verlassen.
Die Wochen vergingen und zwischen den beiden Mädchen entwickelte sich eine tiefe Freundschaft. Fiona hatte sogar gemeinsam mit dem rothaarigen Mädchen die Gebärdensprache erlernt. Auch die drei McLeod Schwestern fingen an, sich damit zu beschäftigen, denn besonders Claire hatte damit zu kämpfen, wie sehr sich Fiona in ihr Leben und somit in Stevies Leben drängte. Sie sah die dunkelhaarige Frau mit viel Skepsis und Argusaugen an, wann immer sie auf Killarney auftauchte. Stevie und Fiona verbrachten viel Zeit miteinander. Obwohl Fiona eigentlich ein Stadtmensch war, passte sich das junge Mädchen dem Landleben perfekt an und stand genauso früh auf. Gemeinsam ritten sie jeden Morgen die Zäune in aller Herrgottsfrühe ab. Gelegentlich wurden sie begleitet von Fionas älterem Bruder Alex. Die meiste Zeit sprach Fiona, denn Stevie konnte sich noch immer nicht dazu durchringen zu sprechen. Aber das war ja auch vollkommen gleichgültig, denn die beiden Freundinnen verstanden sich auch ganz ohne Worte.
Es war ein ganz normaler Tag, zumindest begann er wie üblich mit dem gemeinsamen Ausritt der beiden jungen Frauen. Wie jeden Morgen trafen sie sich um 5 Uhr morgens und ritten gemeinsam an den Zäunen entlang, die Weiden ab. Seit dem vergangenen Tag hatte sich etwas verändert. Fiona hatte das Angebot bekommen in Sydney an der Eliteuniversität Psychologie zu studieren. Nun war es an der Zeit ihrer Freundin die frohe Nachricht zu überbringen. Die ganze Nacht hatte Fiona wach gelegen und sich immer wieder die Worte zu Recht gelegt, wie sie Stevie die Nachricht offenbaren sollte. Sie kam auf keine vernünftige Wortwahl, sie hatte Angst davor, wie Stevie es aufnehmen würde. Doch Stevie bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Sie kannte ihre Freundin inzwischen ziemlich genau und wusste, dass sie etwas bedrückte. Anders, als sonst machten die beiden Frauen diesmal eine Pause und setzten sich unter einen Baum, der in der Nähe des Tierschutzreservats stand. Dort hatten sie in den letzten Wochen oft zusammen gesessen, gelacht und über alles Mögliche geredet, wenn sie ihre Arbeiten auf den Farmen erledigt hatten. Stevie sah ihre Freundin fragend an. Fiona suchte in Gedanken noch immer nach den richtigen Worten, denn sie war sich bewusst, wie schwer Stevie es aufnehmen würde. Aber, wenn sie nicht bald die tolle Neuigkeit erzählen konnte, dann würde sie platzen.
„Stevie, ich muss dir etwas Wichtiges erzählen…“, begann sie schließlich vorsichtig und sah lächelnd zu ihrer Freundin auf.
„Es wird nicht unbedingt etwas Tolles für dich sein, aber ich hoffe du freust dich für mich, denn wir sind beste Freundinnen geworden und ohne dich hätte ich mich nicht so schnell hier einleben können. Du hast mir sehr geholfen und hast mir das Wichtigste in Sachen Farmarbeit beigebracht. Du hast mir gezeigt, wie fröhlich und lustig man durchs Leben gehen kann auch ohne viele Worte.“
Fiona machte eine kleine Pause und musterte Stevie, in der Hoffnung ihr würden die Wortlaute so etwas leichter fallen. Stevie, die von Natur aus schon immer sehr neugierig war, gab ihrer Freundin zu verstehen, dass sie doch nun endlich mit den tollen Neuigkeiten herausrücken soll.
„Ich hab die ganze Nacht kaum ein Auge zu gemacht, weil ich nicht wusste, wie ich es dir am Besten erklären kann…Stevie, ich werde Drovers wieder verlassen. Ich habe ein Stipendium bekommen und kann in Sydney an der Universität Psychologie studieren. Weißt du was das bedeutet? Die Uni gehört zu den Besten in ganz Australien. Es ist einfach fantastisch, dass ich da hin darf!“
Fiona freute sich wahnsinnig und sie hatte so einen glücklichen und zufriedenen Ausdruck in den Augen, sodass Stevie nicht enttäuscht wirken wollte. Aber sie war sehr enttäuscht, denn wieder einmal wurde sie verlassen. Wieder hatte sie sich etwas aufgebaut und eine enge Vertraute gefunden und wieder einmal würde man sie im Stich lassen, wieder würde sie alleine sein. Nun, so ganz alleine war sie dennoch nicht, immerhin waren Claire, Tess und Jodi ja auch noch da und nicht zu vergessen Jack, aber dennoch war es irgendwie nicht das Gleiche. Sie gönnte ihrer Freundin das Glück, ja sie gönnte es ihr von ganzem Herzen, nur wusste Stevie ganz genau, dass sie Fiona schrecklich vermissen würde. Mit wem sollte sie denn von nun an über alles lachen und reden können? Mit wem sollte sie sich denn von nun an über Alex und Nick ärgern? Mit wem sollte sie denn morgens ausreiten?
Stevie ärgerte sich über sich selbst, es war egoistisch von ihr auch nur eine Sekunde daran zu denken, sie wäre wieder einmal die Verlassene bei alledem. Es tat ihr weh, aber sie gab es Fiona gegenüber nicht zu. Im Gegenteil, sie freute sich offiziell sehr für ihre Freundin, aber in ihrem Innern sah alles ganz anders aus.
Stevie fragte Fiona über alles Mögliche aus unter anderem auch, wann denn die Stunde des Abschiedes kommen würde.
„Stevie, es tut mir so leid! Ich fürchte, wenn ich noch halbwegs vernünftige Kurse bekommen möchte, dann muss ich morgen leider schon losfahren.“
Fiona hatte Tränen in den Augen, sie wusste ganz genau, dass Stevie es nicht so leicht nahm, wie es den Anschein hatte. Es zerriss ihr auch das Herz, aber sie hatte die einmalige Chance und die wollte sie nutzen. Man bekam schließlich nicht jeden Tag die Chance dazu und ein Stipendium schon gar nicht. An diesem Tag sahen sich die beiden Freundinnen nicht mehr. Fiona tat es weh, dass Stevie so sehr litt, aber sie hatte keine Zeit mehr zu verlieren, sie musste alles vorbereiten für die Abreise am nächsten Morgen.
Der Tag der Abreise kam nun immer näher und Fiona lag wieder einmal wach im Bett und wälzte sich unruhig hin und her. Sie vermisste Stevie sehr, immerhin war es seit Wochen nicht mehr so gewesen, dass sie sich so lange nicht sahen. Was sollte da erst werden, wenn sie in Sydney war? Schussendlich tröstete sie sich mit dem Gedanken, dass sie sich ja schreiben könnten, jeden Tag und in den Semesterferien würde sie ihre Freundin auf jeden Fall besuchen. Sie freute sich auf ihre Zeit in Sydney und sie würde keine Zeit haben, Stevie zu sehr zu vermissen. Das Studium würde sie voll in Anspruch nehmen und sie auch ein wenig von ihrem Heimweh und von ihrer besten Freundin ablenken. Mit diesem tröstenden Gedanken schlief sie schließlich, wenn auch nur kurz, erschöpft ein.
Am nächsten Morgen war die Aufregung groß und alle Bewohner von Drovers liefen wie aufgescheuchte Hühner umher. Liz war am Wenigsten zu ertragen, denn sie machte Fiona noch ganz fertig mit ihrer Aufregung und Angst, ihre Tochter könnte etwas Wichtiges vergessen.
„Hast du auch alles Liebes?“, fragte sie Fiona ganz aufgeregt.
„Ja Mum, du machst mich noch ganz verrückt mit deiner Nervosität.“
Fiona wurde das langsam zu viel, sie hatte andere Sorgen, als sich von ihrer Mum nervös machen zu lassen. Immer wieder blickte sie in die Hofeinfahrt, in der Hoffnung Stevie würde doch noch kommen, um sich zu verabschieden. Aber dem war weit gefehlt, auch Minuten nach der vereinbarten Zeit, war Stevie immer noch nicht da, sie war noch nicht einmal zu sehen.
„Hey Liebes, alles in Ordnung mit dir? Du wirkst auf einmal so bedrückt.“, fragte Liz ihre Tochter, da sie bemerkte, wie traurig Fiona plötzlich wurde.
„Stevie. Sie ist noch nicht da, ich dachte sie würde sich von mir verabschieden wollen, aber es sieht wohl so aus, als hätte sie mich schon vergessen.“
Fiona hatte Tränen in den Augen, es war schon jetzt schrecklich. Sie vermisste Stevie jetzt schon und dabei war sie noch nicht einmal in Sydney angekommen.
„Ach was! Stevie wird genug auf Killarney zu tun haben und schafft es einfach nicht herzukommen“, sagte Liz und versuchte dabei aufmunternd zu wirken.
„Mum. Es ist alles so traurig. Ich will ja fahren und ich freue mich auch sehr auf den neuen Abschnitt in meinem Leben, aber ich will auch nicht weg von hier. Ich vermisse Stevie jetzt schon wie verrückt.“
Fiona brach nun in Tränen aus und fiel ihrer Mum um den Hals. Sie weinte bitter und all ihren Kummer und ihre Sorgen, die sich seit dem gestrigen Morgen in ihr aufgestaut hatten, brachen aus ihr heraus.
„Hey, hey, hey. Beruhige dich Kleines! Ihr könnt euch doch jeden Tag schreiben und Sydney ist doch nicht aus der Welt“, beruhigte Liz ihre Tochter und rieb ihr dabei sanft über den Rücken, wie einem Baby, das gerade sein Fläschchen getrunken hatte.
„Aber weißt du was? Ruf sie doch einfach an, dann geht es dir vielleicht besser und du kannst dich wieder voll und ganz darauf freuen nach Sydney zu fahren.“
„Wie witzig Mum! Stevie spricht doch kein Wort, wie soll ich da mit ihr telefonieren?“
„So meine ich das auch nicht. Du kannst doch auf Killarney anrufen, nach Stevie fragen und ihr sagen, was du ihr noch sagen möchtest.“
„Was soll das bringen? Stevie ist enttäuscht von mir, ich lasse sie einfach alleine, das ist ja so was von egoistisch von mir.“
„Das ist großer Blödsinn, Fi! Dass du nach Sydney gehst, ist doch nicht egoistisch! So ist das Leben nun mal, Menschen kommen und gehen. Das ist der Lauf der Welt! Glaub mir, sie wird damit klar kommen, es verkraften und irgendwann auch verstehen. Stevie ist deine Freundin, da ist es ganz normal, dass sie traurig ist.“
„Ja schon, aber…“
„Nichts aber! Ruf sie an! Hier…“
Liz reichte ihrer Tochter das Telefon. Fiona hatte Herzklopfen und auch ein wenig Angst davor, weil sie nicht wusste, wie Stevie reagieren würde. Was wäre, wenn sie sich einfach verleugnen ließe? Was wäre, wenn Stevie gar nicht da war? Das würde nur noch mehr wehtun, aber Liz hatte Recht, Fiona musste sich einfach von ihrer besten Freundin verabschieden, sonst würde sie nie glücklich nach Sydney fahren können. Also wählte sie die Nummer von Killarney und wartete darauf, dass Jemand ans Telefon ging.
„Killarney, Claire McLeod Hallo?“ , meldete sich die Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Hallo Claire! Hier ist Fiona. Ist Stevie vielleicht in der Nähe?“, fragte Fiona, immer noch ängstlich, Stevie könnte sich verleugnen lassen.
„Was willst du? Lass sie einfach in Ruhe!“, sagte Claire in einem schroffen Ton, der erkennen lies, dass sie wütend auf Fiona war.
„Was? Wieso denn? Ich will mich doch nur verabschieden von Stevie. Also ist sie nun da oder nicht?“
„Nein! Sie ist nicht da!“, antwortete Claire kurz angebunden. Sie hatte keine Lust mit Fiona zu sprechen. Dazu war sie zu wütend auf sie. Stevie hatte sich, seit sie mit Fiona befreundet war, schon soweit wieder in den Griff bekommen, dass sie vollkommen verändert auftrat. Sie war glücklicher denn je, sie hatte wieder neue Lebensfreude gefunden. Claire hatte dies immer mit Skepsis betrachtet und wie sich nun herausstellte, lag sie damit die ganzen Wochen über nicht mal so falsch. Sie wusste von Anfang an, dass Fiona ihr irgendwann wehtun würde und das machte Claire nur noch wütender. Sie hätte es verhindern müssen, denn sie liebte Stevie wie eine Schwester.
Tess, die gerade am Büro vorbei kam, hörte das Gespräch und riss Claire sofort das Telefon aus der Hand.
„Claire hör auf!“, sagte Tess mit böse funkelnden Augen an ihre Schwester gewandt.
„Fiona? Bist du noch dran?“, fragte sie schließlich ins Telefon.
„Ja ich bin noch dran.“
Fiona wimmerte leise am Telefon, in der Hoffnung man würde es nicht hören können, dass sie weinte.
„Hey Fiona, weine nicht! Stevie ist enttäuscht und traurig, aber sie wird damit klarkommen. Gib ihr einfach ein bisschen Zeit, um es zu verarbeiten.“
„Ich werde es versuchen, aber es ist nur so verdammt schwer! Ich dachte, dass sie sich für mich freut und sich von mir verabschieden möchte.“
„Aber sicher freut sie sich für dich, das weiß ich ganz sicher! Stevie ist nur unendlich traurig, dass du gehst. Immerhin bist du ihre beste Freundin und du wirst Kilometer weit weg sein. Also, mach dir keine Sorgen! Stevie schafft das! Sie ist eine starke Persönlichkeit, aber wenn es dich beruhigt, dann werde ich noch mal mit ihr darüber reden und ihr sagen, dass du angerufen hast, einverstanden?“
„Hm…das ist besser, als nichts.“
„Alles klar und jetzt freu dich auf Sydney und melde dich mal.“
„Ja ist gut! Ich melde mich, sobald ich in Sydney angekommen bin.“
„Ok. Dann wünsche ich dir viel Spaß und wir sehen uns. Bye“
„Danke. Bye.“
Fiona legte auf und war noch trauriger, als zuvor. Sie verstand nicht ganz, wieso Claire so schroff zu ihr war und wieso sie so wütend auf sie war. Fiona hatte doch nur die einmalige Gelegenheit bekommen, in Sydney zu studieren. Wieso war dies denn so schlimm?
„Hey Liebes, alles in Ordnung?“, holte Liz sie aus ihren Gedanken zurück.
„Nicht wirklich! Aber ich werde dann wohl los müssen, leider!“
„Und du bist dir sicher, dass ich dich nicht zum Bus bringen soll?“
„Nein, Mum. Du weißt doch ich steh nicht so sehr auf emotionale Verabschiedungen“, sagte Fiona und drückte ihre Mum ganz fest.
„Ach, ich weiß doch, aber ich schon“, sagte Liz traurig und langsam sammelten sich schon erste Tränen in ihren Augen. Es war immer schwer für eine Mutter, wenn die Kinder das traute Heim verließen. Das machte Einem nur noch mehr bewusst, dass man alt wurde.
„Eben, deshalb ist es ganz gut, dass Alex mich fährt. Der heult wenigstens nicht und ist wahrscheinlich froh darüber, dass seine nervige kleine Schwester endlich das Weite sucht“, sagte Fiona lachend, während sie gemeinsam mit ihrer Mum zum Auto lief. Alex wartete schon eine halbe Ewigkeit.
„Na, das wird aber auch Zeit! Fi komm schon, wir müssen los!“, grummelte Alex vor sich hin.
„Wehe du rast, ihr habt noch genügend Zeit“, sagte Liz mit strenger Stimme und sah ihren Ältesten ernst an.
„Mum, wenn du so weiter machst, dann schaffen wir das nicht mehr rechtzeitig zum Bus und ich muss rasen, damit die kleine Nervensäge noch heute in Sydney landet.“
„Alex….“
„Das war ein Scherz Mum! Aber wir müssen jetzt wirklich los“, sagte Alex genervt und stieg ins Auto. Fiona folgte ihm und nahm auf der Beifahrerseite Platz. Unterwegs war es still im Auto, keiner sagte anfangs ein Wort. Beide hingen ihren Gedanken nach, bis Fiona den Anfang machte.
„Alex? Geht es dir gut? Wieso sagst du nichts?“
„Ja, mir geht’s gut“, antwortete dieser knapp und konzentrierte sich weiter auf den Verkehr.
„Was ist los, Alex?“, fragte Fiona nach. Doch Alex schwieg weiterhin. So langsam hatte sie es satt, dass sie jeder für die Böse hielt, nur weil sie nach Sydney gehen und studieren wollte. Für sie war es eine riesengroße Möglichkeit und auch eine Ehre in Sydney an der Universität mit dem besten Ruf von ganz Australien studieren zu dürfen. Eigentlich dachte sie bisher, dass sie jeder verstehen und sich für sie freuen würde. Aber niemand, aber auch wirklich niemand gönnte ihr das Glück.
„Jetzt sag bloß, du bist auch wütend auf mich, weil ich nach Sydney gehe?“
Kurz sah Alex zu seiner kleinen Schwester hinüber und warf ihr einen Blick zu, der ihr genau das verriet.
„Wieso Alex? Rede doch mit mir, verdammt noch mal!“
„Wieso? Das fragst du noch?“
Alex brachte den Wagen zum Stehen und sah sie immer noch wütend an. Was Fiona nicht wusste, Alex war mit Stevie zusammen. Er hatte mit ihr den vergangenen Tag und auch den Morgen verbracht, während Fiona von Liz verrückt gemacht wurde. Alex wusste, was Stevie dachte und fühlte. Er wusste, dass es nicht leicht sein würde für Stevie, wenn Fiona sie verliess und in Anbetracht der Tatsache, dass Stevie auf dem besten Wege der Besserung war, kam dies natürlich überhaupt nicht gelegen, wenn sie nun wieder einen Schicksalsschlag erleiden musste.
Fiona sah ihren großen Bruder fragend an und hoffte darauf, dass er es endlich rauslassen würde.
„Fi, hör zu, ich weiß es ist unfair dir gegenüber, dass ich mich nicht für dich freue. Es ist nur Stevie wird es nicht verkraften. Sie…“
„Halt, stopp! Wieso immer Stevie? Hallo? Das ist mein Leben, ich kann doch nicht immer auf sie Rücksicht nehmen, ich kann doch nicht mein ganzes Leben nach ihr richten. Warum versteht das denn keiner?“, wütete Fiona.
„Niemand sagt, dass dein Leben sich nach ihr richten soll, aber warst du nicht diejenige, die mir immer die Ohren voll gesabbelt hat, wie schwer Stevie es hat und wie leid sie dir doch tut? Hast du nicht immer gesagt, du möchtest ihr so gern helfen können und weißt nicht wie? Und jetzt, wo sie auf dem besten Wege ist, gehst du und lässt sie allein. Das ist das, was ich nicht nachvollziehen kann.“
„Alex, was soll ich denn machen? Ich kann doch nichts dafür, dass ich das Stipendium jetzt bekommen habe.“
Fiona war enttäuscht und auch wütend, weil Stevie nicht mit ihr darüber gesprochen hatte, sondern eher mit Alex und Claire wusste ja auch bestens bescheid darüber.
„Bitte, lass uns nicht mehr darüber reden, ich möchte jetzt zum Bus, sonst verpasse ich ihn noch“, sagte sie schlussendlich und sprach die restliche Fahrt kein Wort mehr.
Es war unglaublich, Alex hatte es tatsächlich geschafft, dass Fiona nun ein wirklich schlechtes Gewissen hatte und sich einredete, dass sie Stevie, ihre beste Freundin tatsächlich im Stich lassen würde. Sie ließ sich von ihrem Bruder in Gungellan an der Bushaltestelle absetzen und würdigte ihn keines Blickes mehr. Alex hingegen tat dies sehr weh, er wollte sie nicht verletzen und ihr auch keine Schuldgefühle einreden. Jedenfalls nicht so, dass sie sich nicht mal mehr von ihm verabschieden wollte. Da er wusste, es würde nichts bringen mit ihr nochmals darüber zu sprechen, drückte er seine kleine Schwester noch einmal und stieg wieder ins Auto, um zurück nach Drovers zu fahren. Fiona lies sich widerwillig von ihm umarmen und verzog nicht eine Miene dabei. Doch, als Alex weg war, liefen ihr die Tränen in Strömen über das Gesicht. Eine Weile stand sie noch da, ehe sie eine Entschluss traf, der vielleicht ihr Leben für immer veränderte.
Minuten später saß sie bei Andrew Johnson, einem Nachbarn, im Auto und fuhr wieder in Richtung Killarney. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht in den Bus zu steigen und Drovers, sowie ihre Familie und vor allem Stevie, ihre beste Freundin, für immer zu verlassen. Fiona lies sich nicht direkt bis vor das Haus fahren, denn es würde zu viel Aufsehen erregen, wenn ein fremdes Auto auf den Hof fuhr. Sie ging lieber das letzte Stück zu Fuß, so hatte sie noch etwas Zeit darüber nach zu denken, wie sie Stevie gegenübertreten sollte, ohne die Fassung vollkommen zu verlieren.
Fiona sah Stevie schon von weitem vor dem Haus auf der Veranda sitzen, aber sie war nicht alleine. Jemand saß neben ihr. Nur war sie noch zu weit entfernt, um die Person erkennen zu können. Sie konnte ihre Freundin aber deutlich lachen hören. Es war ein vollkommen anderes Lachen, ein glückliches und zufriedenes Lachen. Als sie nahe genug dran war, konnte sie die Person, die neben Stevie saß, genau ausmachen. Es war Alex. Fiona konnte nicht fassen, was sie da sah. Ihre beste Freundin saß neben ihrem Bruder und gemeinsam lachten sie herzhaft. Alex hatte sie vor noch nicht allzu langer Zeit völlig fertig gemacht und ihr vorgeworfen, sie würde Stevie im Stich lassen und nun saß ausgerechnet er auf der Veranda und alberte mit ihr rum. Immer noch stand sie völlig fassungslos und vollkommen angewurzelt auf eine Stelle und rührte sich nicht. Stevie, die Fiona als erste entdeckte, sprang auf und lief auf sie zu, um sie stürmisch zu umarmen. Auf dem Weg zu ihr da passierte etwas, etwas was schon lange überfällig gewesen war. Stevie wurde von so viel Freude und Glück übermannt, dass sie ihren Namen förmlich in die Welt hinaus schrie. Erst, als sie von Fionas Tränen durchnässt wurde, realisierte sie, was gerade eben geschehen war. Sie hatte doch tatsächlich Fiona mit ihrem Namen angesprochen. Ein Wunder war geschehen und im nächsten Moment hatte Fiona alles vergessen, was sie Minuten zuvor noch dachte, sie hatte vergessen, dass sie eigentlich sauer auf Alex war. Sie hatte vergessen, dass sie wütend auf Stevie war und sie hatte vergessen, dass sie jemals auch nur eine Sekunde in Erwägung gezogen hatte, nach Sydney zu gehen. Das alles war doch viel schöner und aufregender, als in einer Großstadt, wie Sydney an der besten Universität Australiens Psychologie zu studieren. Das brauchte Fiona gar nicht, denn sie hatte auch so die Gabe Menschen zu heilen, ihre beste Freundin konnte wieder sprechen und das war alles, was zählte.
Die kleine Blonde mit den blau-grünen Knopfaugen freute sich jedes Mal, wenn sie mit ihrem Vater telefonieren konnte. Jodi war gerade 15 Jahre alt geworden und war noch nie solange von ihrem Dad getrennt gewesen. Ein Jahr war es nun schon her, seit ihre Mum die Familie verlassen hatte. Gut, Jodi hatte noch ihre beiden großen Schwestern um sich herum, doch, wenn ihr Dad weg war, vermisste sie ihn sehr. Jack McLeod war ein sehr angesehener Farmer in der Gegend. Er hatte sein ganzes Leben schwer gearbeitet, um sich jetzt in seinem Erfolg sonnen zu können. Dabei war es noch gar nicht so lange her, seit er den Durchbruch geschafft hatte. Es war ein schwerer Schlag für die McLeods gewesen, als vor einem Jahr die Hausherrin von Killarney das Weite suchte. Von heute auf morgen hatte sie die Farm in einer Nacht- und Nebelaktion verlassen. Sie kam mit ihrem Leben nicht mehr zu recht. Ihre drei Töchter hatten schwer damit zu kämpfen gehabt, ganz besonders die kleine Jodi. Die beiden größeren Schwestern Tess und Claire dagegen waren eher wütend, als traurig, dass ihre Mutter sie verlassen hatte. Ganz besonders die Ältere der drei McLeods-Mädels, Claire.
Jack McLeod sorgte sich nicht so sehr um seine drei Töchter, sondern eher um die junge Dame, die seit einigen Jahren bei Ihnen wohnte. Jack und Prue hatten vor ein paar Jahren Claire´s Schulfreundin Stevie bei sich aufgenommen, da sie von ihren Eltern verstoßen worden war. Die Gründe dafür kannte nur Prue und nie sprach sie mit jemandem darüber, das hatte sie dem kleinen Mädchen damals versprochen, als sie im Hause McLeod aufgenommen wurde. Jack und seine drei Töchter bemerkten früh, wie stark die Bindung zwischen Prue und dem manchmal etwas unbändigem roten Teufel war. Jack nannte Stevie, in Situationen, in denen sie ihn zur Weißglut brachte, gerne so.
Seit Jack von seiner Frau verlassen wurde, war Stevie nicht mehr die stets gutgelaunte junge Frau. Sie zog sich immer mehr in ihr kleines Schneckenhaus zurück und igelte sich ein. Sie arbeitete zwar nach wie vor hervorragend und sehr hart, aber sie sprach mit keinem Menschen mehr. Dennoch war Jack sich sicher, dass er seine drei kleinen Engel und den roten Teufel alleine lassen konnte, denn er wusste, wenn es darauf ankam, dass jede Einzelne von den vier Frauen auf Killarney viel Verantwortung übernehmen konnte. Er wusste, dass die Farm auch ohne seine Anwesenheit laufen würde. Denn diese Reise nach Kanada war dringend nötig gewesen. Schließlich musste er Abnehmer für seine Zuchthengste finden und dies tat er nun schon seit einer Woche.
„Jodi, wo steckst du denn?“
Tess war auf der Suche nach ihrer kleinen Schwester, denn sie wollten ja schließlich ihre neuen Nachbarn kennen lernen.
„Jodi hast du etwa schon wieder mit Dad telefoniert?“
„Aber ja, ich musste ihm doch die Neuigkeiten übermitteln. Aber er hat gesagt, dass er Morgen noch nicht zu Hause sein wird.“
Jodi wurde wieder ein wenig traurig. Sie hatte so sehr gehofft, dass ihr Dad wieder zurückkam.
„Ach Jodi, Dad ist doch gerade mal eine Woche fort. So schnell geht das nicht. Außerdem, selbst wenn er schon nach Hause kommen würde, er würde es doch gar nicht bis Morgen schaffen. Was lernst du eigentlich, wenn Dr. Snyder da ist?“
„Bla bla bla, ich weiß sehr wohl wie weit weg Kanada ist.“, zischte das kleine blonde Mädchen ihrer Schwester entgegen und verdrehte dabei gekonnt genervt ihre Augen.
„Na fein, können wir dann fahren?“
„Hm...was ist mit Claire und Stevie?“
Jodi hing sehr an der Freundin von Claire. Meist war sie in ihrer Nähe zu finden, wenn sie nicht gerade am Telefon hing und mit ihrem Dad telefonierte. Anfangs hatte Jack noch gehofft, dass die kleine Jodi Stevie wieder zum reden bewegen könnte, aber dem war weit gefehlt. Stevie konnte sich nicht überwinden wieder zu sprechen. Selbst die Ärzte waren machtlos dagegen. Das alles schien ein seelisches Problem zu sein. Zu einem Psychologen war Stevie nun überhaupt nicht zu kriegen. Jack konnte schon froh darüber sein, dass sie überhaupt mit ihm zum Arzt ging. Stevie hasste Ärzte und alles was dazu gehörte, seit sie klein war. Vor Jahren musste ihre Oma am Blinddarm operiert werden, doch statt dass sie danach gesund wurde, verlor sie bei der Operation ihr Leben. Man hatte nicht genug Tests gemacht und somit nicht festgestellt, dass sie eine Allergie gegen das Narkosemittel gehabt hatte.
„Stevie wird nicht mitkommen, sie hat sich schon in ihr Reich verzogen und liest und Claire trifft uns auf Drovers, weil sie vorher noch etwas zu erledigen hat. Also komm schon Jode, wir fahren alleine.“
Tess trieb den blonden Lockenkopf zur Eile an und gemeinsam gingen sie zum Pick-Up.
Auf Drovers angekommen, trafen sie sogleich auf die Hausherrin, die gerade dabei war, ihrem Gärtner zu erklären, was dieser in nächster Zeit zu tun hatte. Liz war eine stattliche blonde Frau Anfang 40 und hatte zwei Söhne, sowie eine Tochter. Ihr Mann Harry, mit dem sie noch verheiratet war, gondelte irgendwo in der Weltgeschichte herum und scherte sich einen Dreck um seine vier Kinder. Vor Jahren hatte Harry ein Verhältnis gehabt und hatte dann Fiona zu sich geholt. Zwischen Liz und Harry gab es mächtig Ärger und Liz hatte ihm das bis zum heutigen Tage nie verziehen. Dennoch gestand sie sich selber ein, dass das kleine Mädchen nicht das Geringste für ihren Vater konnte.
Liz sah die beiden Mädchen auf der Veranda stehen und beendete das Gespräch mit ihrem Gärtner.
„Guten Abend. Ihr seid bestimmt die McLeod Schwestern. Ich dachte es sind drei.“, begrüßte Liz die jungen Frauen.
„Jap genau, die sind wir. Ähm…Claire unsere älteste Schwester wollte eigentlich schon hier sein, ihr wird wohl etwas dazwischen gekommen sein.“
„Oh, das ist aber schade. Aber kommt, setzt euch doch, möchtet ihr vielleicht etwas trinken?“
„Nein, vielen Dank. Wir wollten uns nur noch einmal vergewissern, dass alles in Ordnung geht morgen mit dem Barbecue.“
„Ich dachte euer Vater ist nicht im Land.“
„Schon, aber wir kümmern uns selbst um die Farm und da gehört das Willkommenheißen der neuen Nachbarn eben auch dazu. Wir bestehen also darauf, Sie zum Barbecue einzuladen.“
„Ihr seid sehr erwachsen. Manchmal wünschte ich mir, meine Söhne wären auch so. Die Einzige, die mir sehr unter die Arme greift ist meine Tochter Fiona.“
„Wow, zwei Söhne und eine Tochter, das ist bestimmt anstrengend.“
„Ach was! Sie sind ja alle nicht mehr im Kindesalter“, lachte Liz belustigt.
Sie war froh, dass ihre Kinder schon erwachsen genug waren, um auf sich selbst aufzupassen und nicht den ganzen Tag bemuttert werden mussten. Alex, der Älteste, war 20 Jahre, Nick gerade 19 Jahre geworden und Fiona war 18 Jahre, eben im gleichen Alter wie Stevie.
„Na dann, wir müssen auch schon wieder los. Wir sehen Sie also morgen so gegen 18 Uhr, einverstanden?“, holte sich Tess noch einmal die Bestätigung und erhob sich von ihrem Stuhl.
„Sechs ist vollkommen in Ordnung“, antwortete Liz freundlich und begleitete die beiden Schwestern zu ihrem Auto.
Bevor Tess und Jodi sich auf den Weg zurück nach Killarney machten, erlaubten sie der netten Nachbarin, ihre Kinder selbstverständlich zu dem Barbecue mitzubringen.
Zurück auf Killarney wartete Anna schon mit dem Abendessen auf die Beiden. Anna, eine Frau von Mitte dreißig, war während der Abwesenheit von Jack die einzige Bezugsperson der Mädchen im Haus. Sie war Haushälterin und Kindermädchen zugleich. Für Jodi war sie, seit ihre Mum vor einem Jahr das Weite suchte, die wichtigste Ansprechperson geworden. Stevie war wieder Erwarten auch im Esszimmer und wollte mit den McLeod Schwestern heute zu Abendessen. Wahrscheinlich trieb sie die Neugierde über die Berichterstattung dazu, mit ihnen das Abendessen zu teilen. Tess und Jodi erzählten Stevie und Claire alles haargenau. Zwischendurch konnte man Stevie sogar ein wenig schmunzeln sehen.
Am nächsten Morgen war Stevie schon früh wach, früher als sonst. Denn es war eine Schafherde zusammen zu treiben, da am Nachmittag der Truck kam, um die Herde abzuholen. Wieder zurück fütterte sie noch die Pferde und sah eben nach Jacks neustem Projekt. Die beiden Schweine, die Jack gekauft hatte, um zu testen wie sich eine Schweinezucht in Australien machte, grunzten vollkommen zufrieden vor sich hin. Stevie hatte an den beiden Tieren Gefallen gefunden. Sie waren irgendwie wie Dick und Doof. Etwas belustigt stand Stevie noch einen Moment da und sah den Beiden amüsiert zu, ehe sie ins Haus ging und beschloss das Frühstück zu machen. Früher hatte sie das oft getan, sie war immer die Erste, die im Hause McLeod wach war und hatte jeden Morgen den Frühstückstisch gedeckt. Das und viele andere Sachen, waren in letzter Zeit eher eine Seltenheit geworden. Stevie war zwar noch immer die Erste, die auf den Beinen war, aber sie hatte jegliche Lust verloren, die Gewohnheiten beizubehalten. Alles erinnerte sie zu sehr daran, wie es war, als Prue noch bei ihnen war.
Tess, die wenig später aus dem Bad kam, ging direkt in das Zimmer ihrer kleinen Schwester und weckte diese auf. Dann begann auch schon das morgendliche Prozedere, denn die kleine Jodi war einfach nicht aus dem Bett zu bekommen. Aber sie musste eben wie alle Anderen genauso früh aufstehen. Denn jeden Tag kam um Punkt neun Uhr ihr Lehrer Dr. Snyder, von dem sie täglich bis Mittags unterrichtet wurde. Jodi mochte die Schule ganz und gar nicht, aber ihr Dad hatte es für wichtig empfunden, dass seine Töchter auf jeden Fall Unterricht bekamen und hatte somit einen Privatlehrer engagiert. Bei Dr. Snyder hatten auch schon Claire und Tess, sowie Stevie ihr Wissen zeigen müssen. Stevie hatte ihren Schulabschluss mit Auszeichnung bestanden und wollte ursprünglich auf die Universität gehen, um Jura zu studieren. Doch als Prue die Familie im Stich ließ, verlor sie die Lust daran. Jack hatte darauf bestanden, dass Stevie auf die Uni ging. Er wollte nicht, dass sie sich ihre Zukunft verbaut und sich alles in ihrem Leben nach der Farm richtete, doch sie wollte ihn nicht allein mit der Farm lassen. Tess und Claire hatten sich zu einem Fernlehrgang angemeldet und die Praxis hatten sie auf der Farm selbst zu genüge.
Als Tess die Treppe hinunter kam, stieg ihr schon der angenehme Geruch von Kaffee und frisch gebackenen Brötchen in die Nase. Sie freute sich auf das Frühstück, denn es hatte schon lange keine Brötchen am Morgen mehr gegeben. Genau genommen, schon seit über einem Jahr nicht mehr. Sie konnte ihren Augen kaum trauen, denn in der Küche fand sie nicht, wie gewohnt Anna vor, sondern ihre Stevie.
Einen kleinen Moment stand Tess noch in der Tür, beobachtete Stevie und erfreute sich an dem so ungewohnten Anblick, der sich ihr bot. Stevie bemerkte Tess und lächelte sie freudig an. Tess dagegen standen Tränen in den Augen. Es war einfach ein überwältigender Moment. Nicht nur, dass Stevie seit über einem Jahr wieder Frühstück für alle machte, nein die Rothaarige lächelte und das war einfach das Größte! Tess konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie Stevie das letzte Mal hatte lächeln sehen. Stevie sah zufrieden und glücklich aus und eben genau das rührte die blonde junge Frau zu Tränen.
Stevie stand noch immer da und lächelte. Tess konnte nicht anders, sie ging direkt auf sie zu und nahm sie fest in den Arm. Irgendetwas war geschehen, irgendetwas hatte sich verändert, irgendetwas hatte Stevie verändert. Das blonde Mädchen gab ihr einen Kuss auf die Wange und setzte sich glücklich an den Tisch. Auf jedem der Teller lag ein Zettel. Verwundert nahm Tess den Zettel von ihrem Teller und faltete ihn auseinander. Aufmerksam las sie, die liebevoll auf das Papier gebrachten Worte. Es war eindeutig die Handschrift von Stevie, sie hätte diese unter tausenden von Handschriften erkannt. Stevie hatte eine schöne Handschrift, sie hatte etwas Weiches und Geschwungenes an sich.
Stevie hatte Tess aufgeschrieben, dass sie es an der Zeit fand wieder die alten Gewohnheiten aufzugreifen und das Frühstück war der Anfang. Seit Stevie kein Wort mehr sprach, kommunizierten die McLeods mit ihr nur noch über kleine Zettelchen, wenn überhaupt. Stevie hatte sich immer mehr zurückgezogen und hatte mit Niemandem sonderlich viel Kontakt gehegt.
„Stevie, ich freue mich so! Geht es dir gut? Willst du mir erzählen, was dich so glücklich macht?“, fragte Tess, nachdem sie den Zettel wieder zur Seite gepackt hatte.
Stevie zuckte nur mit den Schultern. Sie gab Tess somit zu verstehen, dass es nichts zu erzählen gab.
„Na gut, aber wenn du mal darüber sprechen möchtest, dann trau dich einfach. Ich bin immer da für dich, ok?“
Stevie nickte heftig, nahm die Kaffeekanne und goss ihnen Kaffee ein. Für Jodi gab es Kakao. Stevie wusste, dass Jodi dies liebte.
Nach dem Frühstück bekam Jodi ihren Unterricht und Tess, Claire und Stevie erledigten die üblich anfallenden Arbeiten auf der Farm.
Pünktlich zur verabredeten Zeit fuhr das Auto von Drovers vor und die Ryans stiegen aus. Alle wurden freundlich begrüßt und Liz staunte noch viel mehr als am Tag zuvor, wie erwachsen doch die McLeod-Schwestern waren. Sie stellte ihre Söhne und ihre Tochter vor und fragte sogleich nach der Ältesten der McLeods, da sie diese ja am Tag zuvor noch nicht kennen lernen durfte. Tess wollte ihre ältere Schwester eben entschuldigen, als diese direkt auf die Gäste zukam. Stevie dagegen ließ sich wie üblich viel Zeit, wenn sie Glück hatten, würde sie noch zu ihnen stoßen. Aber Tess und Claire machten Liz nicht sehr viel Hoffnung, denn Stevie mied solche Zusammentreffen gerne. Liz und Fiona wurden herumgeführt und die beiden Jungs sahen sich selbst ein wenig um.
„Die kleine Blonde war es nicht, oder? Nein, sicher nicht, sonst hätte man gemerkt, dass ihr euch schon kennt.“
Nick hatte von seinem Bruder erfahren, dass er bei seinem morgendlichen Ausritt ein Mädchen getroffen hatte. Dieses Mädchen hatte bei dem Sunnyboy doch einen erstaunlichen Eindruck hinterlassen und das, obwohl sie kein einziges Wort miteinander gewechselt hatten.
Alex sah seinen Bruder mit einem strafenden Blick an.
„Nein, ganz sicher war sie das nicht. Sie ist absolut nicht mein Typ. Außerdem stehe ich nicht so auf kleine Kinder. Sie scheint eher was für dich zu sein“, neckte Alex seinen Bruder und grinste diesen dabei frech an.
„Ach was. So jung sah die Kleine nun auch wieder nicht aus, aber du hast Recht, ich finde sie tatsächlich irgendwie niedlich.“
„Ha, hab ich es mir doch gedacht. Wow, sieh dir das mal an, die haben hier sogar einen eigenen Tennisplatz.“
Alex ging direkt auf den Platz zu und betrat diesen aufgeregt. Er liebte das Tennisspiel sehr und verpasste nicht ein Spiel im Fernsehen. Nick belächelte seinen Bruder immer, er konnte nicht verstehen, wie man nur so vernarrt in diese langweilige Sportart sein konnte.
„Sag mal Alex, bist du dir sicher, dass das Mädchen von heute Morgen tatsächlich existiert oder hast du dir das alles nur eingebildet. Ich meine, immerhin war es eine für dich vollkommen untypische Zeit gewesen, kann ja sein, dass du geträumt hast.“
„Sehr witzig Alter! Ich weiß genau, was meine Augen gesehen haben. Aber ich bin mir doch selbst nicht sicher, ob sie zu den McLeods gehört. Wir haben uns nicht vorgestellt.“
„Ach ja richtig. Das war das nächste Untypische für dich! Normalerweise verschwendest du doch auch keine Zeit, wenn es um ein Mädchen geht.“
„Schon, aber sie war irgendwie anders, wenn du verstehst was ich meine.“
Alex wurde von seiner Mum unterbrochen, die die Jungs rief.
„Alex, Nick, kommt ihr dann bitte, wir wollen essen.“
„Ja Mum, wir sind schon auf dem Weg. Das heißt, wenn Alex sich von dem Tennisplatz los reißen kann.“
„Ja ja schon gut, gehen wir, sonst bekommt Mum wieder einen ihrer Anfälle.“
Es war ein herzliches Beisammensein der beiden Familien. Alle lachten viel und unterhielten sich prächtig. Jodi erzählte Liz alles Mögliche von ihrem Dad und auch von Stevie. Als Jodi von Stevie erzählte hörte die ältere Frau ganz besonders interessiert zu, denn das Schicksal und seine Folgen der jungen Frau berührten Liz sehr. Tess, die sich die ganze Zeit über angeregt mit Nick und ab und zu auch mit Alex über Gott und die Welt unterhielt, erzählte Liz, was sich am Morgen zugetragen hatte. Die ältere Frau war sehr gerührt, obwohl sie Stevie noch nie gesehen hatte, wusste sie, dass sie das Mädchen sofort ins Herz schließen würde. Liz hatte schon immer Mitgefühl für schlimme Schicksalsschläge gehabt und verspürte immer den Drang irgendwie zu helfen. Sie bewunderte die kleine Jodi, wie sie mit der ganzen Situation umging. Es war nicht zu übersehen, dass Jodi noch mehr an ihrem Dad hing als die beiden älteren Mädchen.
Fiona hatte sich von der lustigen Gesellschaft abgeseilt und spazierte ein wenig im Garten herum. Sie kam zu einem Baum, den sie von weitem schon gut erkennen konnte, denn neben diesem Baum loderte ein Feuer. Fiona entdeckte eine Gestalt, die direkt unter diesen Baum saß und gedankenverloren in das Feuer sah. Sie ging direkt auf diese Gestalt zu und stellte sich vor. Das Mädchen sah kurz auf und lächelte ein wenig. Fiona war verwundert, sagte jedoch nichts weiter dazu. Normalerweise schloss sie schnell Freundschaften, aber dieses Mädchen machte nicht geringste Anstalten sich mit ihr zu unterhalten. Frech setze sich Fiona neben sie und starrte ebenfalls ins Feuer, welches majestätisch seine Flamen in den Himmel streckte. Sie sah, wie die Glühwürmchen umhertanzten und musste schmunzeln.
„Siehst du dir auch so gern die Glühwürmchen an? Ich schon. Es ist witzig, wie toll die tanzen können. Früher, als ich noch kleiner war, da wünschte ich mir immer, genau wie die Glühwürmchen tanzen zu können“, versuchte Fiona mit dem Mädchen ein Gespräch zu beginnen, doch dieses nickte nur ohne aufzusehen und starrte weiterhin gedankenverloren in das Feuer.
„Du bist bestimmt Stevie, oder? Ich bin Fiona. Wir sind Nachbarn.“, stellte sich Fiona vor und streckte Stevie die Hand entgegen.
Nun sah Stevie sie wieder an und lächelte ein wenig, sie gab ihr ebenfalls die Hand.
„Du redest nicht gern, oder? Kann ich verstehen, manchmal hab ich auch absolut keine Lust etwas zu sagen. Vor allem dann, wenn Mum mich zur Weißglut bringt und ich nicht die gleichen Freiheiten genießen darf, wie meine beiden älteren Brüder.“, erzählte Fiona und sah wieder in das Feuer.
Stevie lächelte noch immer die junge Frau neben sich an und wollte etwas sagen, doch die Worte wollten einfach nicht ihren Mund verlassen.
Die Wochen vergingen und zwischen den beiden Mädchen entwickelte sich eine tiefe Freundschaft. Fiona hatte sogar gemeinsam mit dem rothaarigen Mädchen die Gebärdensprache erlernt. Auch die drei McLeod Schwestern fingen an, sich damit zu beschäftigen, denn besonders Claire hatte damit zu kämpfen, wie sehr sich Fiona in ihr Leben und somit in Stevies Leben drängte. Sie sah die dunkelhaarige Frau mit viel Skepsis und Argusaugen an, wann immer sie auf Killarney auftauchte. Stevie und Fiona verbrachten viel Zeit miteinander. Obwohl Fiona eigentlich ein Stadtmensch war, passte sich das junge Mädchen dem Landleben perfekt an und stand genauso früh auf. Gemeinsam ritten sie jeden Morgen die Zäune in aller Herrgottsfrühe ab. Gelegentlich wurden sie begleitet von Fionas älterem Bruder Alex. Die meiste Zeit sprach Fiona, denn Stevie konnte sich noch immer nicht dazu durchringen zu sprechen. Aber das war ja auch vollkommen gleichgültig, denn die beiden Freundinnen verstanden sich auch ganz ohne Worte.
Es war ein ganz normaler Tag, zumindest begann er wie üblich mit dem gemeinsamen Ausritt der beiden jungen Frauen. Wie jeden Morgen trafen sie sich um 5 Uhr morgens und ritten gemeinsam an den Zäunen entlang, die Weiden ab. Seit dem vergangenen Tag hatte sich etwas verändert. Fiona hatte das Angebot bekommen in Sydney an der Eliteuniversität Psychologie zu studieren. Nun war es an der Zeit ihrer Freundin die frohe Nachricht zu überbringen. Die ganze Nacht hatte Fiona wach gelegen und sich immer wieder die Worte zu Recht gelegt, wie sie Stevie die Nachricht offenbaren sollte. Sie kam auf keine vernünftige Wortwahl, sie hatte Angst davor, wie Stevie es aufnehmen würde. Doch Stevie bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Sie kannte ihre Freundin inzwischen ziemlich genau und wusste, dass sie etwas bedrückte. Anders, als sonst machten die beiden Frauen diesmal eine Pause und setzten sich unter einen Baum, der in der Nähe des Tierschutzreservats stand. Dort hatten sie in den letzten Wochen oft zusammen gesessen, gelacht und über alles Mögliche geredet, wenn sie ihre Arbeiten auf den Farmen erledigt hatten. Stevie sah ihre Freundin fragend an. Fiona suchte in Gedanken noch immer nach den richtigen Worten, denn sie war sich bewusst, wie schwer Stevie es aufnehmen würde. Aber, wenn sie nicht bald die tolle Neuigkeit erzählen konnte, dann würde sie platzen.
„Stevie, ich muss dir etwas Wichtiges erzählen…“, begann sie schließlich vorsichtig und sah lächelnd zu ihrer Freundin auf.
„Es wird nicht unbedingt etwas Tolles für dich sein, aber ich hoffe du freust dich für mich, denn wir sind beste Freundinnen geworden und ohne dich hätte ich mich nicht so schnell hier einleben können. Du hast mir sehr geholfen und hast mir das Wichtigste in Sachen Farmarbeit beigebracht. Du hast mir gezeigt, wie fröhlich und lustig man durchs Leben gehen kann auch ohne viele Worte.“
Fiona machte eine kleine Pause und musterte Stevie, in der Hoffnung ihr würden die Wortlaute so etwas leichter fallen. Stevie, die von Natur aus schon immer sehr neugierig war, gab ihrer Freundin zu verstehen, dass sie doch nun endlich mit den tollen Neuigkeiten herausrücken soll.
„Ich hab die ganze Nacht kaum ein Auge zu gemacht, weil ich nicht wusste, wie ich es dir am Besten erklären kann…Stevie, ich werde Drovers wieder verlassen. Ich habe ein Stipendium bekommen und kann in Sydney an der Universität Psychologie studieren. Weißt du was das bedeutet? Die Uni gehört zu den Besten in ganz Australien. Es ist einfach fantastisch, dass ich da hin darf!“
Fiona freute sich wahnsinnig und sie hatte so einen glücklichen und zufriedenen Ausdruck in den Augen, sodass Stevie nicht enttäuscht wirken wollte. Aber sie war sehr enttäuscht, denn wieder einmal wurde sie verlassen. Wieder hatte sie sich etwas aufgebaut und eine enge Vertraute gefunden und wieder einmal würde man sie im Stich lassen, wieder würde sie alleine sein. Nun, so ganz alleine war sie dennoch nicht, immerhin waren Claire, Tess und Jodi ja auch noch da und nicht zu vergessen Jack, aber dennoch war es irgendwie nicht das Gleiche. Sie gönnte ihrer Freundin das Glück, ja sie gönnte es ihr von ganzem Herzen, nur wusste Stevie ganz genau, dass sie Fiona schrecklich vermissen würde. Mit wem sollte sie denn von nun an über alles lachen und reden können? Mit wem sollte sie sich denn von nun an über Alex und Nick ärgern? Mit wem sollte sie denn morgens ausreiten?
Stevie ärgerte sich über sich selbst, es war egoistisch von ihr auch nur eine Sekunde daran zu denken, sie wäre wieder einmal die Verlassene bei alledem. Es tat ihr weh, aber sie gab es Fiona gegenüber nicht zu. Im Gegenteil, sie freute sich offiziell sehr für ihre Freundin, aber in ihrem Innern sah alles ganz anders aus.
Stevie fragte Fiona über alles Mögliche aus unter anderem auch, wann denn die Stunde des Abschiedes kommen würde.
„Stevie, es tut mir so leid! Ich fürchte, wenn ich noch halbwegs vernünftige Kurse bekommen möchte, dann muss ich morgen leider schon losfahren.“
Fiona hatte Tränen in den Augen, sie wusste ganz genau, dass Stevie es nicht so leicht nahm, wie es den Anschein hatte. Es zerriss ihr auch das Herz, aber sie hatte die einmalige Chance und die wollte sie nutzen. Man bekam schließlich nicht jeden Tag die Chance dazu und ein Stipendium schon gar nicht. An diesem Tag sahen sich die beiden Freundinnen nicht mehr. Fiona tat es weh, dass Stevie so sehr litt, aber sie hatte keine Zeit mehr zu verlieren, sie musste alles vorbereiten für die Abreise am nächsten Morgen.
Der Tag der Abreise kam nun immer näher und Fiona lag wieder einmal wach im Bett und wälzte sich unruhig hin und her. Sie vermisste Stevie sehr, immerhin war es seit Wochen nicht mehr so gewesen, dass sie sich so lange nicht sahen. Was sollte da erst werden, wenn sie in Sydney war? Schussendlich tröstete sie sich mit dem Gedanken, dass sie sich ja schreiben könnten, jeden Tag und in den Semesterferien würde sie ihre Freundin auf jeden Fall besuchen. Sie freute sich auf ihre Zeit in Sydney und sie würde keine Zeit haben, Stevie zu sehr zu vermissen. Das Studium würde sie voll in Anspruch nehmen und sie auch ein wenig von ihrem Heimweh und von ihrer besten Freundin ablenken. Mit diesem tröstenden Gedanken schlief sie schließlich, wenn auch nur kurz, erschöpft ein.
Am nächsten Morgen war die Aufregung groß und alle Bewohner von Drovers liefen wie aufgescheuchte Hühner umher. Liz war am Wenigsten zu ertragen, denn sie machte Fiona noch ganz fertig mit ihrer Aufregung und Angst, ihre Tochter könnte etwas Wichtiges vergessen.
„Hast du auch alles Liebes?“, fragte sie Fiona ganz aufgeregt.
„Ja Mum, du machst mich noch ganz verrückt mit deiner Nervosität.“
Fiona wurde das langsam zu viel, sie hatte andere Sorgen, als sich von ihrer Mum nervös machen zu lassen. Immer wieder blickte sie in die Hofeinfahrt, in der Hoffnung Stevie würde doch noch kommen, um sich zu verabschieden. Aber dem war weit gefehlt, auch Minuten nach der vereinbarten Zeit, war Stevie immer noch nicht da, sie war noch nicht einmal zu sehen.
„Hey Liebes, alles in Ordnung mit dir? Du wirkst auf einmal so bedrückt.“, fragte Liz ihre Tochter, da sie bemerkte, wie traurig Fiona plötzlich wurde.
„Stevie. Sie ist noch nicht da, ich dachte sie würde sich von mir verabschieden wollen, aber es sieht wohl so aus, als hätte sie mich schon vergessen.“
Fiona hatte Tränen in den Augen, es war schon jetzt schrecklich. Sie vermisste Stevie jetzt schon und dabei war sie noch nicht einmal in Sydney angekommen.
„Ach was! Stevie wird genug auf Killarney zu tun haben und schafft es einfach nicht herzukommen“, sagte Liz und versuchte dabei aufmunternd zu wirken.
„Mum. Es ist alles so traurig. Ich will ja fahren und ich freue mich auch sehr auf den neuen Abschnitt in meinem Leben, aber ich will auch nicht weg von hier. Ich vermisse Stevie jetzt schon wie verrückt.“
Fiona brach nun in Tränen aus und fiel ihrer Mum um den Hals. Sie weinte bitter und all ihren Kummer und ihre Sorgen, die sich seit dem gestrigen Morgen in ihr aufgestaut hatten, brachen aus ihr heraus.
„Hey, hey, hey. Beruhige dich Kleines! Ihr könnt euch doch jeden Tag schreiben und Sydney ist doch nicht aus der Welt“, beruhigte Liz ihre Tochter und rieb ihr dabei sanft über den Rücken, wie einem Baby, das gerade sein Fläschchen getrunken hatte.
„Aber weißt du was? Ruf sie doch einfach an, dann geht es dir vielleicht besser und du kannst dich wieder voll und ganz darauf freuen nach Sydney zu fahren.“
„Wie witzig Mum! Stevie spricht doch kein Wort, wie soll ich da mit ihr telefonieren?“
„So meine ich das auch nicht. Du kannst doch auf Killarney anrufen, nach Stevie fragen und ihr sagen, was du ihr noch sagen möchtest.“
„Was soll das bringen? Stevie ist enttäuscht von mir, ich lasse sie einfach alleine, das ist ja so was von egoistisch von mir.“
„Das ist großer Blödsinn, Fi! Dass du nach Sydney gehst, ist doch nicht egoistisch! So ist das Leben nun mal, Menschen kommen und gehen. Das ist der Lauf der Welt! Glaub mir, sie wird damit klar kommen, es verkraften und irgendwann auch verstehen. Stevie ist deine Freundin, da ist es ganz normal, dass sie traurig ist.“
„Ja schon, aber…“
„Nichts aber! Ruf sie an! Hier…“
Liz reichte ihrer Tochter das Telefon. Fiona hatte Herzklopfen und auch ein wenig Angst davor, weil sie nicht wusste, wie Stevie reagieren würde. Was wäre, wenn sie sich einfach verleugnen ließe? Was wäre, wenn Stevie gar nicht da war? Das würde nur noch mehr wehtun, aber Liz hatte Recht, Fiona musste sich einfach von ihrer besten Freundin verabschieden, sonst würde sie nie glücklich nach Sydney fahren können. Also wählte sie die Nummer von Killarney und wartete darauf, dass Jemand ans Telefon ging.
„Killarney, Claire McLeod Hallo?“ , meldete sich die Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Hallo Claire! Hier ist Fiona. Ist Stevie vielleicht in der Nähe?“, fragte Fiona, immer noch ängstlich, Stevie könnte sich verleugnen lassen.
„Was willst du? Lass sie einfach in Ruhe!“, sagte Claire in einem schroffen Ton, der erkennen lies, dass sie wütend auf Fiona war.
„Was? Wieso denn? Ich will mich doch nur verabschieden von Stevie. Also ist sie nun da oder nicht?“
„Nein! Sie ist nicht da!“, antwortete Claire kurz angebunden. Sie hatte keine Lust mit Fiona zu sprechen. Dazu war sie zu wütend auf sie. Stevie hatte sich, seit sie mit Fiona befreundet war, schon soweit wieder in den Griff bekommen, dass sie vollkommen verändert auftrat. Sie war glücklicher denn je, sie hatte wieder neue Lebensfreude gefunden. Claire hatte dies immer mit Skepsis betrachtet und wie sich nun herausstellte, lag sie damit die ganzen Wochen über nicht mal so falsch. Sie wusste von Anfang an, dass Fiona ihr irgendwann wehtun würde und das machte Claire nur noch wütender. Sie hätte es verhindern müssen, denn sie liebte Stevie wie eine Schwester.
Tess, die gerade am Büro vorbei kam, hörte das Gespräch und riss Claire sofort das Telefon aus der Hand.
„Claire hör auf!“, sagte Tess mit böse funkelnden Augen an ihre Schwester gewandt.
„Fiona? Bist du noch dran?“, fragte sie schließlich ins Telefon.
„Ja ich bin noch dran.“
Fiona wimmerte leise am Telefon, in der Hoffnung man würde es nicht hören können, dass sie weinte.
„Hey Fiona, weine nicht! Stevie ist enttäuscht und traurig, aber sie wird damit klarkommen. Gib ihr einfach ein bisschen Zeit, um es zu verarbeiten.“
„Ich werde es versuchen, aber es ist nur so verdammt schwer! Ich dachte, dass sie sich für mich freut und sich von mir verabschieden möchte.“
„Aber sicher freut sie sich für dich, das weiß ich ganz sicher! Stevie ist nur unendlich traurig, dass du gehst. Immerhin bist du ihre beste Freundin und du wirst Kilometer weit weg sein. Also, mach dir keine Sorgen! Stevie schafft das! Sie ist eine starke Persönlichkeit, aber wenn es dich beruhigt, dann werde ich noch mal mit ihr darüber reden und ihr sagen, dass du angerufen hast, einverstanden?“
„Hm…das ist besser, als nichts.“
„Alles klar und jetzt freu dich auf Sydney und melde dich mal.“
„Ja ist gut! Ich melde mich, sobald ich in Sydney angekommen bin.“
„Ok. Dann wünsche ich dir viel Spaß und wir sehen uns. Bye“
„Danke. Bye.“
Fiona legte auf und war noch trauriger, als zuvor. Sie verstand nicht ganz, wieso Claire so schroff zu ihr war und wieso sie so wütend auf sie war. Fiona hatte doch nur die einmalige Gelegenheit bekommen, in Sydney zu studieren. Wieso war dies denn so schlimm?
„Hey Liebes, alles in Ordnung?“, holte Liz sie aus ihren Gedanken zurück.
„Nicht wirklich! Aber ich werde dann wohl los müssen, leider!“
„Und du bist dir sicher, dass ich dich nicht zum Bus bringen soll?“
„Nein, Mum. Du weißt doch ich steh nicht so sehr auf emotionale Verabschiedungen“, sagte Fiona und drückte ihre Mum ganz fest.
„Ach, ich weiß doch, aber ich schon“, sagte Liz traurig und langsam sammelten sich schon erste Tränen in ihren Augen. Es war immer schwer für eine Mutter, wenn die Kinder das traute Heim verließen. Das machte Einem nur noch mehr bewusst, dass man alt wurde.
„Eben, deshalb ist es ganz gut, dass Alex mich fährt. Der heult wenigstens nicht und ist wahrscheinlich froh darüber, dass seine nervige kleine Schwester endlich das Weite sucht“, sagte Fiona lachend, während sie gemeinsam mit ihrer Mum zum Auto lief. Alex wartete schon eine halbe Ewigkeit.
„Na, das wird aber auch Zeit! Fi komm schon, wir müssen los!“, grummelte Alex vor sich hin.
„Wehe du rast, ihr habt noch genügend Zeit“, sagte Liz mit strenger Stimme und sah ihren Ältesten ernst an.
„Mum, wenn du so weiter machst, dann schaffen wir das nicht mehr rechtzeitig zum Bus und ich muss rasen, damit die kleine Nervensäge noch heute in Sydney landet.“
„Alex….“
„Das war ein Scherz Mum! Aber wir müssen jetzt wirklich los“, sagte Alex genervt und stieg ins Auto. Fiona folgte ihm und nahm auf der Beifahrerseite Platz. Unterwegs war es still im Auto, keiner sagte anfangs ein Wort. Beide hingen ihren Gedanken nach, bis Fiona den Anfang machte.
„Alex? Geht es dir gut? Wieso sagst du nichts?“
„Ja, mir geht’s gut“, antwortete dieser knapp und konzentrierte sich weiter auf den Verkehr.
„Was ist los, Alex?“, fragte Fiona nach. Doch Alex schwieg weiterhin. So langsam hatte sie es satt, dass sie jeder für die Böse hielt, nur weil sie nach Sydney gehen und studieren wollte. Für sie war es eine riesengroße Möglichkeit und auch eine Ehre in Sydney an der Universität mit dem besten Ruf von ganz Australien studieren zu dürfen. Eigentlich dachte sie bisher, dass sie jeder verstehen und sich für sie freuen würde. Aber niemand, aber auch wirklich niemand gönnte ihr das Glück.
„Jetzt sag bloß, du bist auch wütend auf mich, weil ich nach Sydney gehe?“
Kurz sah Alex zu seiner kleinen Schwester hinüber und warf ihr einen Blick zu, der ihr genau das verriet.
„Wieso Alex? Rede doch mit mir, verdammt noch mal!“
„Wieso? Das fragst du noch?“
Alex brachte den Wagen zum Stehen und sah sie immer noch wütend an. Was Fiona nicht wusste, Alex war mit Stevie zusammen. Er hatte mit ihr den vergangenen Tag und auch den Morgen verbracht, während Fiona von Liz verrückt gemacht wurde. Alex wusste, was Stevie dachte und fühlte. Er wusste, dass es nicht leicht sein würde für Stevie, wenn Fiona sie verliess und in Anbetracht der Tatsache, dass Stevie auf dem besten Wege der Besserung war, kam dies natürlich überhaupt nicht gelegen, wenn sie nun wieder einen Schicksalsschlag erleiden musste.
Fiona sah ihren großen Bruder fragend an und hoffte darauf, dass er es endlich rauslassen würde.
„Fi, hör zu, ich weiß es ist unfair dir gegenüber, dass ich mich nicht für dich freue. Es ist nur Stevie wird es nicht verkraften. Sie…“
„Halt, stopp! Wieso immer Stevie? Hallo? Das ist mein Leben, ich kann doch nicht immer auf sie Rücksicht nehmen, ich kann doch nicht mein ganzes Leben nach ihr richten. Warum versteht das denn keiner?“, wütete Fiona.
„Niemand sagt, dass dein Leben sich nach ihr richten soll, aber warst du nicht diejenige, die mir immer die Ohren voll gesabbelt hat, wie schwer Stevie es hat und wie leid sie dir doch tut? Hast du nicht immer gesagt, du möchtest ihr so gern helfen können und weißt nicht wie? Und jetzt, wo sie auf dem besten Wege ist, gehst du und lässt sie allein. Das ist das, was ich nicht nachvollziehen kann.“
„Alex, was soll ich denn machen? Ich kann doch nichts dafür, dass ich das Stipendium jetzt bekommen habe.“
Fiona war enttäuscht und auch wütend, weil Stevie nicht mit ihr darüber gesprochen hatte, sondern eher mit Alex und Claire wusste ja auch bestens bescheid darüber.
„Bitte, lass uns nicht mehr darüber reden, ich möchte jetzt zum Bus, sonst verpasse ich ihn noch“, sagte sie schlussendlich und sprach die restliche Fahrt kein Wort mehr.
Es war unglaublich, Alex hatte es tatsächlich geschafft, dass Fiona nun ein wirklich schlechtes Gewissen hatte und sich einredete, dass sie Stevie, ihre beste Freundin tatsächlich im Stich lassen würde. Sie ließ sich von ihrem Bruder in Gungellan an der Bushaltestelle absetzen und würdigte ihn keines Blickes mehr. Alex hingegen tat dies sehr weh, er wollte sie nicht verletzen und ihr auch keine Schuldgefühle einreden. Jedenfalls nicht so, dass sie sich nicht mal mehr von ihm verabschieden wollte. Da er wusste, es würde nichts bringen mit ihr nochmals darüber zu sprechen, drückte er seine kleine Schwester noch einmal und stieg wieder ins Auto, um zurück nach Drovers zu fahren. Fiona lies sich widerwillig von ihm umarmen und verzog nicht eine Miene dabei. Doch, als Alex weg war, liefen ihr die Tränen in Strömen über das Gesicht. Eine Weile stand sie noch da, ehe sie eine Entschluss traf, der vielleicht ihr Leben für immer veränderte.
Minuten später saß sie bei Andrew Johnson, einem Nachbarn, im Auto und fuhr wieder in Richtung Killarney. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht in den Bus zu steigen und Drovers, sowie ihre Familie und vor allem Stevie, ihre beste Freundin, für immer zu verlassen. Fiona lies sich nicht direkt bis vor das Haus fahren, denn es würde zu viel Aufsehen erregen, wenn ein fremdes Auto auf den Hof fuhr. Sie ging lieber das letzte Stück zu Fuß, so hatte sie noch etwas Zeit darüber nach zu denken, wie sie Stevie gegenübertreten sollte, ohne die Fassung vollkommen zu verlieren.
Fiona sah Stevie schon von weitem vor dem Haus auf der Veranda sitzen, aber sie war nicht alleine. Jemand saß neben ihr. Nur war sie noch zu weit entfernt, um die Person erkennen zu können. Sie konnte ihre Freundin aber deutlich lachen hören. Es war ein vollkommen anderes Lachen, ein glückliches und zufriedenes Lachen. Als sie nahe genug dran war, konnte sie die Person, die neben Stevie saß, genau ausmachen. Es war Alex. Fiona konnte nicht fassen, was sie da sah. Ihre beste Freundin saß neben ihrem Bruder und gemeinsam lachten sie herzhaft. Alex hatte sie vor noch nicht allzu langer Zeit völlig fertig gemacht und ihr vorgeworfen, sie würde Stevie im Stich lassen und nun saß ausgerechnet er auf der Veranda und alberte mit ihr rum. Immer noch stand sie völlig fassungslos und vollkommen angewurzelt auf eine Stelle und rührte sich nicht. Stevie, die Fiona als erste entdeckte, sprang auf und lief auf sie zu, um sie stürmisch zu umarmen. Auf dem Weg zu ihr da passierte etwas, etwas was schon lange überfällig gewesen war. Stevie wurde von so viel Freude und Glück übermannt, dass sie ihren Namen förmlich in die Welt hinaus schrie. Erst, als sie von Fionas Tränen durchnässt wurde, realisierte sie, was gerade eben geschehen war. Sie hatte doch tatsächlich Fiona mit ihrem Namen angesprochen. Ein Wunder war geschehen und im nächsten Moment hatte Fiona alles vergessen, was sie Minuten zuvor noch dachte, sie hatte vergessen, dass sie eigentlich sauer auf Alex war. Sie hatte vergessen, dass sie wütend auf Stevie war und sie hatte vergessen, dass sie jemals auch nur eine Sekunde in Erwägung gezogen hatte, nach Sydney zu gehen. Das alles war doch viel schöner und aufregender, als in einer Großstadt, wie Sydney an der besten Universität Australiens Psychologie zu studieren. Das brauchte Fiona gar nicht, denn sie hatte auch so die Gabe Menschen zu heilen, ihre beste Freundin konnte wieder sprechen und das war alles, was zählte.
Epilog:
Einige Monate vergingen und Stevie war fortan in einer Therapie untergekommen, die sie auch wirklich mit großer Freude und Euphorie besuchte. Fiona hatte es Alex verziehen, dass er ihr die größten Schuldgefühle einredete und sie hatte ihm auch verziehen, dass er nun der wichtigste Mensch im Leben ihrer besten Freundin war. So konnte sie letzten Endes ein halbes Jahr später doch noch ihr Studium beginnen, aber nur unter der Bedingung, dass sie Stevie jeden Tag anrufen würde.
~~~ The End ~~~